Leider bin ich seit einigen Wochen wieder so mit Arbeit überlastet, daß ich mich hier im Forum nicht betätigen konnte. Das wird vermutlich noch bis Ende November so bleiben. Aber zwischendurch möchte ich mich mit folgender Warung kurz melden, um zu verhindern, daß andere ein Fernglas kaufen, dessen Daten in der Werbung falsch angegeben und dessen daher erwartete Eigenschaften von diesem Fernglas nicht eingehalten werden:
Miyauchi hat vor kurzem ein neues Binon-Fernglas 5x32 W (W = „Wide field of view") herausgebracht, dessen scheinbarer Sehwinkel mit 66° angegeben wird. Das angesichts der geringen Vergrößerung von nur 5fach mit „2 lbs.“ (umgerechnet ca. 907 g) angegebene sehr hohe Gewicht, das große Porro-II-Prismengehäuse und die großen Okulartuben lassen tatsächlich ungewohnten Weitwinkelblick erwarten. Doch die Aussage ist Lüge und die Erwartung ein Irrtum.
Ich habe mir das Fernglas gekauft und festgestellt, daß der scheinbare Sehwinkel bei nur ca. 55° liegen dürfte, also ziemlich weit unter der üblichen Weitwinkelgrenze von 65°. Für eine genaue Messung hatte ich noch keine Zeit, aber im direkten Vergleich mit mehreren Ferngläsern, von denen ich weiß, daß sie ziemlich genau 60° bieten, ist der scheinbare Sehwinkel deutlich (geschätzt ca. 8% bis 10%) kleiner. Die Aussagen „ultra-wide-angle hand-holdable binoculars" und „real space-walk feeling" sind nur flotte, aber erlogene Werbesprüche.
Tatsächlich wiegt das Binon 5x32 W 925 g (ohne Trageriemen und Schutzdeckel). Es liegt wegen der scharfen Kanten des Prismengehäuses schlecht in der Hand (die rechtwinklige Vorderkante drückt bei längerem Halten unangenehm).
Auch die kürzeste Naheinstellung wird mit 4 m falsch angegeben. Sie beträgt bei meinem Exemplar ca. 5,50 m (auf die Schnelle erst mal freihändig ermittelt, genaue Messungen folgen später).
Irgendwo zwischen den Prismen muß ein sehr enger und nicht exakt planparallelel Luftzwischenraum sein, denn ich kann beim Blick von vorn durch die Objektive schwache Newtonringe (wie bei der Passeprüfung) erkennen, die beim linken Rohr weit sind (5 sicherförmige Streifen) und beim rechten sehr eng (ca. 30 fast geradlinige Streifen). Die Intensität der Newtonringe, die durch Interferenz des zwischen beiden Glas-Luft-Flächen reflektierten Lichts entstehen, läßt mich an der Aussage „fully multi-coated“ zweifeln („fully“ hieße ja, daß MC für ALLE, also auch diese zwei Glas-Luft-Flächen gelten muß).
Die Transmission ist mittelprächtig, vermutlich nur um oder knapp über 80% (nicht gemessen, aber mittels meines Transmissionstests gegen weißes Papier im Vergleich zu anderen Ferngläsern abgeschätzt).
Wenn helle Lichtquellen oberhalb des Sehfeldes liegen, treten starke unscharf begrenzte Reflexe und heftiges diffuses Streulicht auf.
Schlecht sind auch die sehr harten, nur mit Mühe für Brillenträger umstülpbaren Gummiaugenmuscheln, auf die im umgeklappten Zustand die losen, nicht am Fernglas oder Trageriemen befestigbaren Schutzdeckel nicht mehr passen (umgeklappt vergrößert sich der Außendurchmesser sehr). Auch die Objektivschutzdeckel sind primitive Deckel ohne Befestigungsmöglichkeit an Fernglas oder Riemen. Sie klemmen sehr streng, so daß man sich zum Abziehen an der Kante „ankrallen“ muß, und wenn sie sich dann lösen, fliegen sie oft mit Schwung davon. Verlieren ist nur eine Frage der Zeit.
Soweit erst man in aller Eile und Kürze meine Warnmeldung. Ich werde vermutlich erst im Dezember wieder etwas Luft haben, um dann dieses Fernglas genauer unter die Lupe zu nehmen und einen Erfahrungsbericht zu schreiben. Ich habe trotzdem diesen Kurzbericht jetzt schon geschrieben, weil anzunehmen ist, daß der eine oder andere bekannte Astrohändler (damit meine nicht Herrn Jülich, sondern vor allem die aus A.de bekannten Astrohändler!) dieses neue Fernglas ins Verkaufsprogramm aufnehmen und dann wohl die vollmundigen Versprechungen von Miyauchi ungeprüft übernehmen wird.
Ich werde dieses Fernglas bestimmt wieder verkaufen, nachdem ich es ausführlich geprüft und einige Fotos für mein Buch gemacht habe. Ich weiß, daß ich mit dieser Warnung meine Chance auf geringen Verlust beim Wiederverkauf evtl. sehr verschlechtere, aber das ist mir egal. Ein Hersteller, der mit solchen unseriösen Aussagen wirbt, muß öffentlich angeprangert und potentielle Käufer müssen geschützt werden. Das ist mir wichtiger als die finanzielle Einbuße.
Walter E. Schön