1. Es ist kein Wunder, daß Sie bei Ihren Schaufensterbummeln überwiegend oder gar ausschließlich Ferngläser unter 200 Euro sahen. Die meisten Foto- und Optikgeschäfte, in denen Ferngläser zu haben sind, beschränken sich auf das, was die meisten der in diesem Forum versammelten Fernglasfreunde als „Billigmodelle“ bezeichnen, was in vielen, aber nicht allen Fällen auch abwertend gemeint ist. Wer einmal ein wirklich gutes Fernglas ausgiebig benutzen und kennenlernen konnte, MUSS eine solche Einstellung zu der von Ihnen genannten Preisklasse bekommen.
2. Ihre Entscheidung, einen deutschen Hersteller aus den von Ihnen genannten Gründen zu bevorzugen, ist löblich. Und Sie fahren damit auch qualitativ sicher (wobei es einige wenige Ausnahmen gibt, sowohl unter deutschen Anbietern, die viele Unkundige für Hersteller halten, die aber nur Fremdfabrikate unter ihrem deutschen Namen verkaufen, als auch auf der anderen Seite bei ausländischen Herstellern, allen voran der nicht hinter den renommierten deutschen Firmen Leica und Zeiss zurückstehende Hersteller Swarovski aus unserem Nachbarland Österreich).
3. Wenn Sie sagen „Zeiss ist mein Limit“, so soll das wohl für den Preis des Zeiss Conquest 8x30 gelten. Die Zeiss-Victory-FL-Serie liegt je nach Modell im Preis doppelt bis fast dreimal so hoch. Aber die Conquest-Serie kann nur deshalb deutlich unter dem normalen Zeiss-Preisniveau liegen, weil erstens einige qualitative Kompromisse eingegangen wurden, die bei der Victory-FL-Serie nicht akzeptiert würden, und weil zweitens die Conquest-Ferngläser nicht in Deutschland, sondern in Ungarn gebaut werden und somit Ihrer Intention nicht entsprechen. Victory-FL-Qualität ist außer in Deutschland nur in wenigen anderen und dann ebenfalls relativ hochpreisigen Ländern möglich und kostet dann eben auch deutlich mehr als ein Conquest.
4. Sie sehen, es gibt ein unlösbares Dilemma: Das Zeiss-(Preis-)Limit für Made in Germany und die normalerweise von ZEISS erwartete Leistung liegt deutlich über 1000 Euro. Sie hatten das Zeiss-Limit in der Größenordnung von 600 Euro angesiedelt. Aber es gibt vielleicht doch einen Ausweg für Sie, den ich Ihnen sehr empfehlen möchte:
5. Wie wäre es mit einem gebrauchten, gut erhaltenen Leica Trinovid 8x32 in der letzten Version BN oder auch in der vorletzten Version BA? Dieses Fernglas hat exakt denselben optischen Aufbau wie das aktuelle Leica Ultravid (das im Preis dem Zeiss Victory 8x32 FL entspricht oder gar noch knapp darüber liegt). Es hat im wesentlichen nur ein Alu- statt Magnesiumgehäuse in etwas rundlicherer Form und mit ca. 100 g höherem Gewicht, die Transmission ist um einige Prozent niedriger, weil die Verspiegelung des Schmidt-Prismas noch nicht dielektrisch ist und die Mehrschichtvergütung um einige Promille weniger leistet, und im Falle der älteren Version BA ist die Nahgrenze mit 3,25 m ein bißchen weiter und die Hartvergütung der äußeren Linsenflächen noch nicht ganz so hart (aber ich besaß viele Jahre ein solches 10x32 BA, das immer noch unzerkratzte Objektive und Okulare hatte, als ich es verkaufte). Ein solches Trinovid 8x32 BN oder BA sollten Sie gebraucht in einwandfreiem Zustand zu einem Preis bekommen können, der Ihr Limit nicht überschreitet. Und damit hätten Sie ein Fernglas, das sich in seiner Leistungsfähigkeit von den Modellen, die heute neu zweieinhalb mal soviel kosten, nur so wenig unterscheidet, daß Sie das wahrscheinlich selbst im direkten Vergleich kaum feststellen können. Dieses Fernglas schlägt alles, was Sie heute neu zu ähnlichem Preis kaufen können, um Längen. Eigentlich müßte es auf dem Gebrauchtmarkt preislich bei mindestens 800 bis 1000 Euro liegen, aber weil es inzwischen die neuen Ultravids gibt und viele Leica-Käufer immer das Neueste haben wollen (müssen?), ist der Gebrauchtpreis der Trinovids tiefer gefallen, als es eigentlich angemessen wäre.
Mit dem Leica Trinovid 8x32 BN oder den nochmals um 50 bis 100 Euro günstiger zu erhaltenden 8x32 BA wären Sie auch nach heutigen Maßstäben in die Spitzenklasse eingestiegen und hätten zugleich Ihre Vorgaben (Zeiss-Conquest-Preislimit und deutscher Hersteller) erfüllt. Es ist möglich – genau weiß ich es nicht –, daß in einem solchen Trinovid Teile stecken, die im Leica-Werk in Portugal produziert wurden; das wäre der einzige Verstoß gegen Ihre Prämissen.
Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Walter E. Schön
PS.: Wenn Sie mit dem gebrauchten, vielleicht 10 Jahre alten Trinovid 8x32 eine gültige Garantiekarte mitbekämen, so wäre die Restgarantie noch immer ca. 20 Jahre und damit viel länger als die, die Sie bei jeden heute neu in der angepeilten Preisklasse erhältlichen Ferngläsern hätten (oft nur ein oder zwei Jahre!). Das ist doch auch viel wert!