Das Problem sind nicht (allein) die Okulare.
1. Identische Okulare
Wenn z.B. ein 8fach- und ein 10fach-Fernglas identische Okulare haben und die unterschiedliche Vergrößerung dann durch verschiedene Objektive (mit verschiedener Brennweite) erzielt wird, könnten beide Ferngläser bei gleich großer Sehfeldblende auch gleich große scheinbare Sehwinkel haben. Damit wäre die Bedingung erfüllt, um z.B. die von Ihnen angegebenen Sehfeldgrößen bei verschiedenen Vergrößerungen zu erzielen (also umgekehrt proportional zum Vergrößerungsfaktor).
Das setzt voraus, daß die Objektive des 8fach-Fernglases, deren Brennweite kürzer sein muß, ein Zwischenbild erzeugen können, das groß genug ist. um die Sehfeldblende zu füllen, und das auch innerhalb dieser Größe ausreichende Randschärfe bietet.
Das ist z.B. bei den Ferngläsern Nikon 8x32 SE und 10x42 SE (und sogar 12x50 SE) der Fall. Diese drei Modelle haben identische Okulare und gemäß Herstellerangaben einheitlich einen ca. 60° großen scheinbaren Sehwinkel. Aber diese Ferngläser haben bei kleinerer Vergrößerung auch eine kleinere Objektivöffnung! Wenn man das zuläßt, gibt es keine Probleme.
Sie möchten aber sicher z.B. ein 8x42 und ein 10x42 (oder ein 8x32 und ein 10x32), also je ein 8fach- und 10fach-Fernglas mit einheitlicher Öffnung haben. Dann wird es schwieriger. Denn dann hat das Objektiv des weniger stark vergrößernden Fernglases ein deutlich höheres Öffnungsverhältnis, also eine „stärker angespannte Konstruktion“, was dem Optikdesigner erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Wie Sie von astronomischen Teleskopen wissen, fällt es mit „entspannterem“ Öffnungsverhältnis leichter, die Aberrationen im Griff zu halten, insbesondere die chromatischen (ein Fraunhofer 1:20 kann diesbezüglich vielleicht so gut sein, wei ein APO 1:6 – diese Zahlen sind nicht verbindlich, sondern sollen nur die Größenordnung andeuten).
Also wird der Konstrukteur wohl eine unbefriedigende Randschärfe und im Randbereich viel zu kräftige Farbsäume bekommen. Daher wird er beim 8fach-Fernglas die Sehfeldblende verkleinern, und schon haben wir wieder statt der idealen die reale Situation eines kleineren scheinbaren Sehwinkels beim weniger stark vergrößernden Fernglas.
Dazu kommt dann auch noch, daß das kurzbrennweitige Objektiv mit höherem Öffnungsverhältnis einen stumpferen Lichtkegel für jeden Punkt des Zwischenbildes erzeugt, so daß die Querschnittsfläche am Eintritt ins Umkehrprismensystem (dessen vorderes Ende jetzt viel näher am Objektiv sitzt) viel größer ist und darum zur Vermeidung von Vignettierung deutlich größere Prismen nötig sind. Also ist das ein zweiter Grund für den Konstrukteur, die Sehfeldblende zu verkleinern, um bei beiden Ferngläsern gleiche Primen verwenden zu können.
2. Identische Objektive
Wenn das 8fach- und das 10fach-Fernglas identische Objektive gleichen Öffnungsdurchmessers haben, der ja von Ihnen gewünscht wird und wie es z.B. bei den 8x32- und 10x32- bzw. 8x42- und 10x42-Gläsern von Leica, Swarovski und Zeiss der Fall ist, müssen die Okulare verschieden sein, um die unterschiedlichen Vergrößerungen zu realisieren. Hier muß das Okular des 8fach-Glases die längere Brennweite haben, und die wäre ja durchaus auch mit gleichem scheinbarem Sehwinkel machbar. Aber, wie ich es im Titel dieses Beitrags geschrieben habe, sind nicht die Okulare das Problem. Vielmehr sind es wieder, und zwar aus exakt denselben Gründen wie unter 1 die „angespannteren“ Objektive und vor allem die nötigen Prismenquerschnitte, die dem Bestreben nach gleich großem scheinbaren Sehwinkel beim 8fach-Glas Grenzen setzen.
Wenn das Okular des 8fach-Glases hinter derselben Sehfeldblende säße, die das 10fach-Glas hat, würde es doch aufgrund der geringeren Vergrößerung denselben Ausschnitt aus der Landschaft (also dasselbe Sehfeld) lediglich weniger stark vergrößern und somit einen entsprechend kleineren scheinbaren Sehwinkel bieten.
Damit das Okular des 8fach-Glases aber denselben großen scheinbaren Sehwinkel wie das Okular des 10fach-Glases liefern kann, müßte ihm vom Objekt und der Sehfeldblende ein entsprechend größeres Zwischenbild geboten werden. Also muß zunächst mal die Sehfeldblende umgekehrt proportional zu den Vergrößerungen beim 8fach-Glas größer sein (also um 25%, denn 10:8 = 1,25 oder 25% größer als 1).
Dann muß aber auch das Objektiv in der Lage sein, diese nunmehr deutlich größere Sehfeldblende bis zum Rand mit einem ausreichend scharfen und farbsaumarmen Bild zu füllen. Dazu muß das Objektiv erheblich mehr leisten, denn bekanntlich nehmen die Aberrationen mit dem Bildwinkel erheblich zu (manche quadratisch, manche in der 3. oder gar 4. Potenz!). Aber das ist noch nicht alles: Auch der Durchlaß der Prismen muß jetzt viel größer sein, und somit benötigte das 8fach-Glas andere, nicht nur dickere, sondern zwangsläufig auch längere und schwerere Prismen. Das Fernglas benötigte dann auch ein dickeres Gehäuse (oder das 10fach-Glas müßte ein unnötig dickes Gehäuse haben, wenn man für beide dasselbe Gehäuse benutzen möchte). Und zu guter oder besser schlechter Letzt bedeutet ein längeres Prisma einen längeren Weg des Lichts durchs Prisma und verlangt somit eine andere „Glaswegkorrektion“, damit nicht sphärische Aberration, Astigmatismus und chromatische Aberration sichtbar zunehmen.
Ja, diese Probleme sind leider schwieriger, als sich der Nichtfachmann vorstellt. Die Wünsche der Anwender in allen Ehren, aber auch wenn der Konstrukteur sich größte Mühe gibt, sind sie zumindest zu den aktuellen Preisen (die an anderer Stelle in diesem Forum zur Zeit heftig kritisiert werden) nicht lösbar, wenn die Qualität auf dem bisher gewohnten Niveau bleiben soll.
Vielleicht hat eines Tages einer der großen Drei den Mut, ein Superglas für Ölscheichs und Bill Gates zu bauen, das alle Wünsche erfüllt, aber dann vielleicht 4000 oder 5000 Euro kosten wird. Da werden Sie, Herr Champollion, noch viele Cembalos bauen müssen, um sich so ein Superglas leisten zu können, vorausgesetzt, Sie wollten es sich zu einem so hohen Preis leisten.
Walter E. Schön