Ich stimme Ihnen in allen wesentlichen Punkten zu. Ich kenne zwar nicht das 8x30 E II aus eigener Erfahrung, besitze aber das 10x35 E II, das bis auf die Objektive baugleich und deshalb lediglich ein bißchen längere und dickere Objektivrohre und ein etwas größeres Gewicht hat. Auch ich finde, daß die Verarbeitungsqualität für den Preis dieser beiden Modelle hervorragend ist, und zudem finde ich auch das Design (in der deutschen Bedeutung von ästhetischer und funktionaler Gestaltung, nicht im englischen Sinne von „Konstruktion“) dieser beiden Modelle mit aktuellem Magnesiumgehäuse bis auf die unzeitgemäßen Stülpaugenmuscheln sehr gut.
Allerdings möchte ich doch eine kleine Korrektur bezüglich des von Nikon von 67,6° auf 70° „aufgerundeten“ scheinbaren Sehwinkels hinzufügen. Ich habe nämlich erst kürzlich wegen meines Ärgers über die weit übertriebenen Sehwinkelangaben beim Miyauchi Binon 6x32 innerhalb der dazu in Gang gesetzten Diskussion einen Beitrag mit den von mir nachgemessenen scheinbaren Sehwinkeln einiger weitwinkeliger Ferngläser verfaßt, auf den ich die Leser dieser Diskussion hinweisen möchte:
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www.juelich-bonn.com]
Der AP-Längsabstand ist für Brillenträger schon etwas knapp (für Weitsichtige evtl. zu knapp, aber das gilt auch für die von Ihnen zum Vergleich genannten Leica-Gläser), aber dazu kommt ein auch bei der Nikon-SE-Porroserie typisches Problem hinzu, wodurch das Einblickverhalten sichtbar verschlechtert wird: Die Pupillenaberrationen sind nicht so gut behoben wie bei den Leica-, Swarovski- und Zeiss-Gläsern. Man hat bei Nikon offenbar der Bildfeldebnung im Interesse besserer Randschärfe (die bei den sehr weitwinkligen E-II-Modellen nicht sehr gut, aber für den riesigen Winkel doch sehr respektabel und bei den SE-Modellen vorbildlich ist) Priorität eingeräumt und dann bei den Pupillenaberrationen nicht das geschafft, was wünschenswert wäre. So ist das eben in der Optik: Es gibt so viele Parameter, die man optimieren möchte, aber mit allen zugleich geht es nicht oder nur mit unbezahlbar hohem Aufwand. So läßt sich dann oft die Verbessung eines Parameters zur zu Lasten eines anderen realisieren.
Das mustergültige Einblickverhalten des Swarovski 8,5x42 EL (das auch innerhalb der Swarovski-Sortiments einzigartig ist) führt dazu, daß man bei diesem auch schon sehr weitwinkeligen Fernglas durchaus den Eindruck hat, hier einen ebenso großen scheinbaren Sehwinkel zu haben wie beim Nikon E II, sogar wenn man abwechselnd durch das eine und durch das andere Fernglas schaut, obwohl er tatsächlich um ca. 5° kleiner ist (was man erst dann erkennt, wenn man mit dem einen Auge durch ein E II und zugleich mit dem anderen durch ein 8,5x42 EL z.B. gegen eine weiße Wand schaut und die beiden hellen Kreisflächen direkt vergleichen kann) – freilich zum vielfachen Kaufpreis.
Dennoch sind die Nikon-E-II-Gläser für Freunde des weiten, freien Blicks hochinteressant. Weil aber bei uns die schlanke Dachkantbauform so dominiert und Porrogläser daher von vielen potentiellen Käufern von vornherein als „veraltet“ angesehen werden und ja in puncto Handhabung und Wasserdichtheit tatsächlich ihre Nachteile haben, sind sie etwas ins Hintertreffen geraten. Es erforderte daher mehr Engagement in der Werbung durch Nikon, um die E-II-Modelle populärer zu machen, die dann durchaus ihren Markt fänden. Aber vielleicht halten die Nikon-Marketingleute den dafür nötigen Aufwand als zu hoch für den dann zu erwartenden Umsatzzuwachs – was vielleicht nicht falsch ist. Ich würde zwar jemandem, der nur ein Fernglas zu kaufen bereit ist, doch eher ein (leider viel teureres) Leica, Swaro oder Zeiss empfehlen, aber wenn das Geld dazu nicht reicht oder die Bereitsschaft zu einer so hohen Ausgabe für derart „überflüssigen Luxus“ fehlt, wäre es eine hervorragende, wenn nicht überhaupt die einzig konkurrenzlose Alternative. Für jemanden, der schon mehrere Ferngläser besitzt, wie es bei zahlreichen Teilnehmern dieses Forums der Fall ist, wäre das 8x30 E II oder eventuell das 10x35 E II durchaus eine sehr interessante Ergänzung, zumal der größere Objektivabstand aufgrund der Porrokonstruktion neue Erfahrungen bezüglich der Raumeindrucks lieferte.
Ich selbst bevorzuge eindeutig Dachkantgläser als „Arbeitspferde“, weil sie handlich (sowohl im Sinne von kompakt als auch im Sinne von ergonomisch), wasserdicht und robust sind. Aber ich wollte deswegen meine Porrogläser nicht missen. Und wenn ich eines Tages nach Fertigstellung meines Buches den größten Teil meiner vielen Ferngläser verkaufen und den Erlös wieder meiner Alterssicherung zurückführen werde, bleibt sicher auch das eine oder andere Porroglas in meinem Bestand.
Walter E. Schön