Leider ist es nicht so einfach, daß ein größerer Prismendurchlaß zu einem größeren tatsächlichen oder scheinbaren Sehwinkel führt. Denn dafür sind darüber hinaus auch die Objektivöffnung und die Zwischenbildgröße maßgebend.
Wenn man sich den Strahlengang in einem Fernglas vor Augen hält, wird das sehr leicht verständlich. Ich hatte dazu eben schon auf ca. 20 Zeilen begonnen zu beschreiben, was man wie aufzeichnen muß, aber dann wieder alles gelöscht, weil mir einfiel, daß Herr Köhler (von Analytik Jena bzw. Docter bzw. ehem. Zeiss Jena) auf seiner Website einige dafür sehr gut geeignete Zeichnungen hat. Wenn ich meine Erklärung darauf beziehe, kann ich sicher sein, daß Sie eine den wahren Verhältnissen präzise entsprechende Zeichnung vor sich haben und nicht meine Anleitung zum Zeichnen mißverstanden haben können und Ihre Zeichnung, anhand derer ich aller erklären will, anders aussieht, als ich es meine. Außerdem sparen Sie sich die Mühe des Zeichnens.
Bevor Sie jedoch meiner Anleitung folgen, sollten Sie sich diesen Beitrag ausdrucken, damit Sie auf dem Papier weiterlesen können, während Sie gleichzeitig auf dem Bildschirm das betrachten, was ich Ihnen gleich erklären werde.
Rufen Sie nach dem Ausdrucken bitte die folgende Website auf:
www.akoehler.de/
Dort sehen Sie links eine Inhaltsverzeichnis-Spalte. Klicken Sie dort unter dem Zwischentitel „Grundlagen“ die Zeile „Vergrößerung“ an. Auf der daraufhin erscheinenden Seite sehen Sie übereinander drei Zeichnungen. Betrachten Sie nun die unterste. Sie zeigt den Strahlengang für ein Fernrohr ohne Umkehrprisma.
Die roten Strahlen zeigen den Hauptstrahl (Mittenstrahl, weil durch die Mitte des Objektivs) und die beiden Randstrahlen des in der Zeichenebene liegenden Querschnitts des Strahlenkegels für einen am oberen Rand des Sehfeldes liegenden Gegenstandspunkt. Der Strahlenkegel hat seine Spitze am unteren Ende des senkrechten schwarzen Strichs (= Zwischenbild) über der Beschriftung „f' Oku“ (= Brennweite des Okulars).
Analog dazu gehören die grünen Strahlen zu einem Gegenstandspunkt am unteren Ende des Sehfeldes, und der entsprechende Strahlenkegel zwischen Objektiv und Zwischenbild hat seine Spitze am oberen Ende des schwarzen Strichs, der das Zwischenbild darstellen soll.
Schließlich zeigen die blauen Strahlen den Strahlengang für den auf der optischen Achse bzw. in der Mitte des Sehfeldes liegenden Gegenstandspunkt.
Die „Einhüllende“ aller Strahlenkegel ist ein rotationssymmetrischer Kegelstumpf mit der kreisförmigen Objektivöffnung als der (größeren) Grundfläche und dem kreisförmigen Zwischenbild als der (kleineren) Deckfläche. Ich hoffe, Sie können sich das so räumlich vorstellen.
Jetzt klicken Sie auf der Köhlerschen Seite links im Inhaltsverzeichnis eine Zeile tiefer „Sehfeld“ an. Wieder erscheinen drei Zeichnungen. In der obersten sind nun leider in etwas anderen Farben als zuvor (was rot war, ist jetzt auf weißem Grund schwer erkennbar gelb, und weil die Linien alle dünner geworden sind, erscheinen die Farben blassen. Außerdem sind in zwei schwer unterscheidbaren Rottönen zusätzliche Strahlenkegel für je einen Gegenstands- und Bildpunkt oben und unten innerhalb des Sehfeldes eingezeichnet. Die Beschriftung „ZBE“ bedeutet „Zwischenbildebene“ und gehört zu dem schon erwähnten senkrechten Strich, auf dem alle Spitzen der Strahlenkegel liegen. Die Spitzen der Strahlenkegel sind nichts anderes als die Bildpunkte im Zwischenbild.
Da ein Fernglas im Gegensatz zu einem astronomischen Teleskop ein aufrechtes und seitenrichtiges Bild zeigen muß, wird es mit einem Umkehrprismensystem ausgestattet, das zwischen Objektiv und Zwischenbildebene angeordnet und in der mittleren Zeichnung durch ein schwarz umrandetes Rechteck symbolisch (weil ohne die diversen Spiegelungen) dargestellt ist. Sie sehen im gezeichneten Beispiel, daß der größte Durchlaß in diesem Falle an der Eingangsfläche des Prismensystems benötigt wird, weil in diesem Falle der Öffnungsdurchmesser (50 mm, weil 10x50-Fernglas) besonders groß ist.
Wenn man ein geich großes Prisma in einem Fernglas mit einem Öffnungsdurchmesser von nur 32 mm verwendete, wäre sehr viel „Luft“ im verfügbaren Prismendurchlaß. Deshalb könnte man jetzt auf der anderen Seite des Prismensystems das Zwischenbild sehr viel größer machen, um das Sehfeld wesentlich zu erweitern. Es wäre dann die Einhüllende aller Strahlenkegel wieder ein Kegelstumpf mit der nunmehr kleineren kreisförmigen Objektivöffnung als Grundfläche und dem jetzt viel größeren kreisförmigen Zwischenbild als Deckfläche. Der Kegelstumpf könnte in diesem Falle zum Zwischenbild hin sogar weiter werden statt sich wie zuvor in dieser Richtung zu verjüngen.
Im letzten Bild dieser Köhlerschein Seite wird ein vergrößertes Zwischenbild (für ein größeres Sehfeld) angenommen, bei dem sich zeigt, daß die vom Objektivrand kommenden Strahlen an der nunmehr zu kleinen Prismen-Eintrittsfläche vignettiert werden. Würde man hier die Objektivöffnung von 50 mm auf z.B. 42 mm verkleinern, wäre der Durchlaß noch groß genug.
Ich denke, daß man an diesen Bildbeispielen sehr gut sehen kann, daß der Prismendurchlaß allein nicht viel über das mögliche Sehfeld aussagt, sondern daß man immer zugleich auch die Öffnungsgröße des Objektivs betrachten muß: Je größer die Objektivöffnung, desto größer muß (bei gleichem Sehfeld) der Prismendurchlaß sein. Umgekehrt bleibt bei kleinerer Objektivöffnung und gleichem Prismendurchlaß genügend „Luft“, um hinter dem Prisma die Zwischenbildgröße vergrößern zu können, ohne daß es zur Vignettierung kommt. Das erklärt, warum es bei kleineren Objektiven leichter ist, ein großes Sehfeld zu erzielen – immer identische Vergrößerung vorausgesetzt.
Man könnte alles noch viel einfacher sagen: Alle geraden Verbindungslinien von jedem Punkt des runden Zwischenbildes zu jedem Punkt der Objektivöffnung müssen durch das als „Rohr“ gedachte Prismensystem verlaufen. Macht man die runde Objektivöffnung kleiner, so kann man bei gleich großem Prismen-„Rohr“ auf der anderen Seite das runde Zwischenbild größer machen.
Ich hoffe, daß sich damit Ihr vermeintlicher Widerspruch, Denkfehler, Druckfehler usw. vollständig aufgelöst hat.
Walter E. Schön