...aber wer sich nur vom dummen Gewäsch anderer leiten läßt möglicherweise schon, da sind wir uns einig. Ich bin kein Waidmann, und kann deren Anforderungsprofil und Vorbilder für eine Kaufentscheidung daher nicht so gut beurteilen wie Sie. Aber ich konnte mir vor einiger Zeit ein älteres Dialyt 8x56 aus den späten achtziger Jahren, also noch ohne P-Belag, für einige Wochen ansehen.
Verglichen mit dem Victory ist das Dialyt 400 Euro preiswerter und 200g leichter. An den Schnittzeichnungen beider Gläser erkennt man, dass das Classic kompromißlos auf maximale Transmission ausgelegt ist, auf kürzeste Glaswege und geringstmögliche Zahl von Glas-Luftübergängen,es sind gegenüber den 18 des Victory nur ganze 10 beim Dialyt. Das zweilinsige Objektiv besteht nur aus einem Element, das dreilinsige Okular nur aus zweien, dazwischen die beiden Prismen, fertig. Die Okularverschiebung macht eine Fokussierlinse überflüssig, das einfach aufgebaute Okular erlaubt kein allzu großes Sehfeld, 110m nur, aber die dürften es dafür in sich haben: sie sollten theoretisch mit guten 2% mehr Transmission einzusehen sein, ein Unterschied, der sich in der Dämmerung sichtbar auszahlen müßte.
Blieben als Nachteile die schlechtere Nahgrenze, die allenfalls Insektenjäger interessieren dürfte, die Stülpmuscheln, die einen raschen Blickwechsel mit und ohne Brille erschweren, der bei Jägern aber kaum vorkommen dürfte, und die fehlende absolute Dichtigkeit. Der letzte Punkt scheint beim Dialyt in der Praxis ebenfalls kaum eine Rolle zu spielen, das Glas war nach jahrzehntelangem intensiven Gebrauch zwar an einem Objektivtubus etwas eingedellt und die Vergütungsschichten sahen ramponiert aus, Justierung und Fokussierung waren jedoch immer noch einwandfrei, inneren Beschlag habe es nie gegeben. Das Bild war fabelhaft hell und kontrastreich, um überhaupt irgendwelche Einbußen bei Kontrast und Streulicht durch die verschlissene Vergütung vernünftig beurteilen zu können, hätte man ein neues Glas zum Vergleich heranziehen müssen, so wenig aufällig waren sie. Die lange schlanke Bauweise und das gesamte Gefühl beim Ansetzen und Bedienen wirkten auf mich subjektiv wertiger als die knubbeligen Kunststoffgehäuse der 56er Victory, Geschmackssache, zugegeben. Jedenfalls scheint sich die ganze Konstruktion in hartem jahrzehntelangen Gebrauch bewährt zu haben und der darauf gründende Ruf des Glases dürfte nicht nur für konservativ eingestellte Leute ein Verkaufsargument sein.
Alles in allem bin ich entschieden der Meinung, dass dieses Dialyt, in seiner aktuellen Ausführung mit optimierter Vergütung für Jäger immer noch eine erstklassige Entscheidung sein dürfte, die keineswegs nur von dummem Gesülze technisch rückständiger Traditionalisten zu rechtfertigen wäre. Sondern von einer ziemlich genauen Vorstellung davon, welche Eigenschaften für einen bestimmten Zweck unbedingt erstklassig ausgeführt sein sollten und auf welchen nebensächlichen Luxus man dafür verzichten kann.