Das ist ein sehr interessantes Thema, besonders wenn man liest, die andere ihre Beobachtungsweisen einschätzen. Ich muss zugeben, dass ich darüber noch nie richtig nachgedacht habe, nach mittlerweile über 30 Jahren Feldbeobachtung.
Ich benutze meine Ferngläser außer in Sonderfällen (Kleinvogelbeobachtung im dichten Wald oder in Büschen, z.B. auf Helgoland) fast immer in einem sehr weit gefassten Entfernungsbereich, sagen wir von 5 Metern bis an die 1000 Meter. Ich kann also nicht sagen, dass ich vor allem im Nahbereich bis 150m oder 200m beobachte, außer wenn die Sicht wie z.B. im Wald eingeschränkt ist.
Wobei der Entfernungsbereich bei mir so groß ist, weil ich in offener Landschaft oder an der Küste das Fernglas sehr viel dazu benutze, Vögel überhaupt zu finden, z.B. einen in großer Entfernung kreisenden Greifvogel, einen weit draußen durchziehenden Gänsetrupp oder auch einen auf einem Weidepfahl sitzenden Vogel. Dabei können diese weit entfernten Vögel durchaus fast an der Sichtbarkeitsgrenze sein. Wenn ich etwas sehe (oder manchmal auch nur "erahne"), wechsle ich auf das Spektiv, um mit hoher Vergrößerung "nachfassen" zu können. Das Fernglas dient mir also nicht nur zum Beobachten an sich, sondern ganz oft auch dazu, interessante Beobachtungsobjekte erst einmal überhaupt zu finden.
Übrigens wechsle ich oft selbst bei relativ kurzen Entfernungen auf das Spektiv, wenn ich einen interessanten Vogel sehe, um mehr Detail sehen zu können und z.B. bestimmte Gefiedermerkmale ganz in Ruhe studieren zu können (beispielsweise bei Möwen) oder mich einfach an der Schönheit eines Vogels zu erfreuen. Auf 30m sieht ein Schwarzkehlchen im Fernglas nett aus, im Spektiv ist es spektakulär schön.
Das hat natürlich Konsequenzen für die Anforderungen, die ich an meine Ferngläser stelle. Mir kommt es bei Ferngläsern z.B. mehr auf die Ergonomie und das Gewicht als auf das letzte bisschen Bildqualität an, und ganz generell lege ich bei meinen Ferngläsern zwar Wert auf eine gute Bildqualität, aber nicht um jeden Preis. Mir ist beispielsweise der 3D-Effekt von Porrogläsern wichtiger als die absolute Randschärfe eines Swarovision, selbst die Farbabstimmung ist mir nicht *so* wichtig, auch wenn ich eher etwas wärmere Farbabstimmungen bevorzuge. Aber ich kann selbst mit dem leicht grünstichigen Bild eines Hensoldt Fero-D16 gut leben.
Bei Spektiven bin ich deutlich kritischer, da kann ich z.B. mit kühl zeichnenden Optiken wenig anfangen, da sie auf große Entfernungen, speziell bei Schmuddelwetter im Winter, nach meinem Eindruck weniger kontrastreich zeichnen als wärmer abgestimmte Optiken. Ich persönlich komme seit Jahren am besten mit den Nikons zurecht, und nach eingehenden Vergleichen bin ich mit dem EDIII und dem ED82 immer noch sehr zufrieden - trotz des engen Zoomokulars. Da spielt auch eine Rolle, dass ich bei den Nikons problemlos mit Filtern arbeiten kann, wenn mir der Sinn danach steht oder die Licht- bzw. Sichtverhältnisse dies sinnvoll erscheinen lassen. Ein guter Polfilter kann an der Küste bei Gegenlicht eine ganze Menge ausmachen ...
Hans