Hallo Holger,
vielen Dank für den interessanten Hinweis, dass auch planparallele Glasplatten bei hohen Öffnungswinkeln Aberrationen hervorrufen, chromatische und sphärische! Ich konnte die Aberrationen sogar schon an einem Kleinbild - UV-Filter erahnen; sie waren zwar winzig klein und traten erst bei extemsten Öffnungswinkeln auf, die weit jenseits der jedes Fernglases lagen, aber beim Fernglas werden die Dinge anders liegen, schließlich wird das Fernglaszwischenbild stark vergrößert beobachtet und die enorme Dicke des Prismenblocks dürfte auch nicht gerade fehlerabschwächend wirken. Man wird also bei Ferngläsern nicht von annähernd senkrechtem Lichteinfall ausgehen dürfen, wie ich etwas lax geschrieben hatte, sondern den Lichtkegel schon beachten müssen, worauf mich Herr Neumann aufmerksam gemacht hatte.
Was die chromatische Aberration bei Porroprismen angeht, kann man sich vielleicht auch einen anderen Effekt vorstellen, der schon bei geringeren Öffnungswinkeln als den oben erwähnten auftreten könnte: ein Lichtstrahl, der zunehmend schräg einfällt, kommt dem Grenzwinkel für Totalreflexion immer näher (bis er ihn zu unterschreiten droht), wodurch kontinuierlich ein immer höherer Anteil des Lichts transmittiert wird und damit dem zu reflektierenden Bild verloren geht. In der Nähe des Grenzwinkels, also zu zum Rand hin, wird die Dispersion bewirken, das Licht kürzerer Wellenlängen aufgrund seiner stärkeren Brechung noch bildgebend reflektiert wird, während längerwellige Anteile schon in die Transmission verloren gehen. Dadurch entstünde in der Randzone ein blauer Farbsaum, der nicht von einem extremen Öffnungswinkel verursacht wäre, sondern von einem Öffnungswinkel nahe des Grenzwinkels. Von diesem Effekt, falls es ihn gibt, dürften dann Dachkantprismen dank ihrer Verspiegelung nicht betroffen sein. Da BaK4 Glas mit seiner höheren Brechzahl einen niedrigeren Grenzwinkel hat, erlaubt dies bei Porrogläsern eine höhere Öffnung des Lichtkegels und damit größere Sehfelder und/oder kürzere Bauweise dank kürzerer Brennweite und/oder geringere chromatische Aberration.
Die ganz normale Dispersion im Prismenglasweg sollte dazu führen, dass ein Lichtstrahl parallelverschoben zum Einfallsstrahl austritt und dabei insgesamt wellenlängenabhängig parallel verbreitert sein müsste. Ich habe versucht den Effekt überschlägig rechnend abzuschätzen. Dabei kam heraus, dass ein Lichtstrahl, der um 3° zur optischen Achse schräg steht (angenommener Randstrahl), sich nach Durchgang durch einen 12cm dicken planparallelen Kronglasblock auf 0,06mm aufgeweitet haben sollte *) – ein durchaus korrekturbedürftiger Wert, wenn man über den Daumen gepeilt von Zwischenbilddurchmessern von 30 bis 50mm ausgeht. Ein zerstreuendes Element im Okular wäre dann bei jedem Prismenfernglas, ob Porro oder Dachkant, vonnöten, um diesen Glaswegeffekt zu kompensieren. (Sind vielleicht jemanden bei ausgebauten Fernglasokularen deutliche Farbsäume aufgefallen, obwohl das intakte Fernglas nur geringe Farbe zeigte?)
Was die sphärische Aberration mit zunehmendem Öffnungswinkel angeht, könnte sie darauf beruhen, dass die Parallelverschiebung des austretenden Lichtstrahls aufgrund des längeren Lichtweges schräger Strahlen immer größer wird, je schräger diese einfallen. Sphärische Aberration kann man meines Wissens nur mindern, aber nicht so gut korrigieren. Ich bin überfragt, wie hoch der Effekt bei einer planparallelen Glasplatte von Prismenblockdicke ist, ich weiß nur, dass es dadurch zur Umverteilung der Lichtmenge im Airy-Scheibchen kommt.
*) Abschätzung der Dispersion eines planparallelen Glasblocks:
a Einfallswinkel
b Ausfallswinkel
d Glasblockdicke in mm
n Brechungsindex
x Versatz in mm, um den der Einfallsstrahl gegenüber dem Lot auf der Oberfläche der Glasblockgegenseite austritt
y Versatz in mm in Blickrichtung des Einfallswinkels
für Kronglas gilt:
n = 1,5346 bei 728,135nm (rot)
n = 1,5576 bei 388,865 nm (blau)
sin a / sin b = n (Brechungsgesetz)
x / d = tan b
y = x • cos a
daraus folgt für eine bestimmte Wellenlänge:
y = d • cos a • ( sin a / n) • 1 / Wurzel (1 - sin²a / n²)
Die Aufweitung eines um 3° zum Lot geneigten Lichtstrahls von rot bis blau ergibt sich dann aus der Differenz der den Wellenlängen entsprechenden y-Werte für Kronglas zu 0,06mm, wenn d = 120mm ist. Keine Ahnung, ob das alles richtig gedacht ist, oder ich was entscheidendes übersehen habe.
PS.: Ich danke Holger Merlitz und Herrn Neumann für ihre Hinweise, die zu diesem Beitrag geführt haben. Wie ich soeben sehe, konnte sich Herr Schön noch redundant anschliessen.
5-mal bearbeitet. Zuletzt am 30.06.08 00:02.