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Jetzt haben diese Gläser ja nicht umsonst einen guten Ruf, gibt es also verschiedene Qualitäten, die sich dem Laienkäufer nicht so recht erschliessen?
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Hallo Herr Magadan,
der gute Ruf kommt zu einem sicher nicht geringen Teil aus der Praxis, oft von Hobbysternguckern, die sich ein gutes Fernglas für kleines Geld wünschen und sich ein Leica Trinovid im Format 10x50 oder ein Zeiss 10x42 FL nicht leisten können oder wollen. Wer die Himmelsbeobachtung intensiv als Hobby betreibt, der weiß sehr gut, dieses Hobby zehrt kräftig an den finanziellen Resourcen. Oft steckt man sein Geld in gute und nicht gerade billige Okulare fürs an sich schon teure Teleskop. Es gibt so viel Zubehör, was bezahlt sein will, da kommt ein Fernglas nicht immer an erster Stelle und ein teures wie ein Leica noch viel seltener. In der Himmelsbeobachtung ist man mit einem alten CZJ Binoctem oder Dekarem für 150 bis 200 Euro bestimmt nicht schlecht bedient. Bevor man sich vor der Leica Vitrine die Nase platt drückt, weil die Ferngläser auf absehbare Zeit einfach zu teuer sind, und sich dann mit billiger Optik zeitgenössischer Fertigung einläßt, ist ein Blick auf bzw. durch eins der schönen und auch heute noch mit viel Spaß unterm Sternhimmel nutzbaren CZJ Gläser einen Versuch wert. Ich kenne Leute, die beobachten mit einem 40 Jahre alten Zeiss Oberkochen 8x50 oder einem 30 Jahre alten Leitz Trinovid und sie haben ihren Spaß damit. Warum also nicht mit einem alten Jenoptem?
Mir ist klar, dass diese Argumentation nicht für jeden nachvollziehbar ist. Herr Schön hat die "Astronomie.de-Fan-Gemeinde" angesprochen. Dass gerade in einem Astronomie-Forum wie ade diese alten Gläser immer wieder gut wegkommen, wird wohl z.T. auch daran liegen, dass die Leute dort ihre Ferngläser intensiv nutzen und auch dann ihren Spaß an der Himmelsbeobachtung haben, wenn auf dem Fernglas nicht Leica, Swarovski, Nikon oder Zeiss (West) steht und selbiges nicht 500, 1000 oder 1500 Euro gekostet hat. Ich betreibe das schöne Hobby nun an die 30 Jahre und genauso lange nutze ich das alte Dekarem und das alte Binoctem. Oft haben mir diese Ferngläser unvergessliche Stunden unter einem klaren, richtig dunklen Nachthimmel beschert und sie tun es auch heute noch. Um Spaß an der Himmelsbeobachtung zu haben, brauche ich kein Leica Trinovid und es muß auch kein Swarovski EL sein. Aber das Fernglas sollte eine vernünftige optische Leistung fürs Geld mitbringen und das ist bei einem nicht zu alten Dekarem/Jenoptem gegeben, wenn man ohne Brille beobachten kann. Das hat wenig mit Nostalgie oder Ostalgie zu tun. Wer das vermutet, der springt wohl etwas zu kurz.
Im übrigen halte ich es nicht für ausgesprochen sinnvoll, ein altes Jenoptem an einem Leica Trinovid zu messen. Das Jenoptem hat schon zu seinen Lebzeiten in einer anderen Liga gespielt, es war für etwas mehr als 360 Mark der DDR im Handel und hat zum Ende der Produktion bei Docter Optik um die 250 Euro gekostet. Dieses Fernglas an einem Leica Trinovid zu messen, welches ein vielfaches kostet, ist irgendwie Quatsch. Das ist genauso "sinnvoll" wie der Vergleich des alten Deltrintem mit einem Nikon SE, welches in einer völlig anderen Klasse angesiedelt ist. Ich kenne niemanden, der die alten CZJ Ferngläser im Ernst auch nur annähernd auf eine Stufe mit moderneren Zeiss (West), Nikon oder Leica Ferngläsern stellen würde - auch nicht in der "Astronomie.de-Fan-Gemeinde". Dafür ist die Konstruktion der CZJ Porro-Gläser zu alt. Aber man kann so ein Fernglas am Preis messen, den man bezahlt. Wenn ich ein sehr gut erhaltenes, nicht zu altes Dekarem für 180 oder 200 Euro bekomme, dann muß ich schon gründlich suchen, um auf dem heutigen Fernglasmarkt für diesen Preis etwas vergleichbares zu finden. Die chinesichen Dachkantgläser für 150 bis 250 Euro sind nun wirklich nicht der Hit und manches "High-End" Porro-Fernglas aus aktueller Fertigung für einen vergleichbaren Preis ist selten gleichwertig oder besser, oft aber deutlich schlechter. Bei Zeiss bekomme ich heute für 200 Euro mit etwas Glück ein 8x20 Mono und bei Leica reicht es vielleicht für einen Stativadapter und einen Lederbeutel. Was nützt mir das, wenn der familiäre Finanzminister keine deutlich höheren Ausgaben bewilligt? Wenn jemand nach einem guten 10x50 Fernglas um 200 Euro fragt, dann sage ich ihm, wo die Schwächen eines 200 Euro teuren Dekarem/Jenoptem liegen, ich sage ihm auch, dass er für 200 Euro kein Leica Trinovid erwarten kann (eigentlich logisch) und empfehle es ihm auch heute noch mit gutem Gewissen.
Das ist jetzt etwas umfangreich geworden, tut mir leid. Aber man kann ja auch mal in Werner's sehr schönem Fernglas-Forum die Fahne für die alten CZJ Ferngläser hochhalten. :-)
Viele Grüße, Frank Schäfer.