Da diese Frage angesprochen wurde: Wenn wir vor unserer gekachelten Wand stehen, dann muessten wir doch eine tonnenfoermige Verzeichnung wahrnehmen, und beim "Schwenken" einen Globuseffekt. Dazu sollte man sich das Schachbrett A noch einmal vornehmen und in aller Ruhe aus einer geringen Distanz betrachten. Wer das indirekte Sehen beherrscht, der kann diese tonnenfoermige Verzeichnung auch erkennen, und die Mehrheit der Testteilnehmer (soweit ich das jetzt schon sagen kann) hat auch davon berichtet.
Im Alltag sind wir es aber nicht gewohnt, auf einen solchen Effekt zu achten. Stattdessen rollt unser Auge kurz in alle Richtungen und bestaetigt, dass die Linien gerade sind - meine Computerbilder zeigen ja auch, dass bei tonnenfoermiger Verzeichnung dem rollenden Auge jede Koordinatenlinie lokal (d.h. im Bereich der Blickrichtung) gerade erscheint. Das Gehirn setzt daraus dann die Wand zusammen, mit geraden Koordinatenlinien. Im Alltag benutzt man das indirekte Sehen eben nicht so konsequent wie in unserem Experiment. Sonnefeld beschreibt aber in seinem Artikel, wie er die tonnenfoermige Verzeichnung an geraden Konturen in seinem Arbeitszimmer gesehen haben will, indem er beim indirekten Sehen bewusst nicht auf diese Konturen fokussierte.
Wenn sich das Bild als Ganzes bewegt, dann wird diese Tonne jedenfalls auffaelliger. Das funktioniert leider nicht, indem man seinen Kopf vor einer Wand dreht, denn diese kippt viel zu schnell zur Seite, so dass man den Globuseffekt nicht erkennt, weil andere perspektivische Effekte staerker sind. Wenn man aber an der Wand entlang laeuft, dann klappt es mit ein wenig Uebung:
Dazu sollte man nicht zu weit von der Wand entfernt sein, etwa einen Meter, damit die Geschwindigkeiten ausreichend hoch sind. Man muss auch einen natuerlichen Reflex unseres Auges unterdruecken: Das Auge sucht sich gern einen Punkt auf der Wand, folgt ihm ein Stueck weit, und springt dann zum naechsten. Diesen Reflex muss man abschalten und die Oberflaeche der Wand vor dem Auge abrollen lassen, ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren. Man erkennt dann sehr schoen, dass diese Wand auf einer konvexen Oberflaeche abzurollen scheint - unser Globuseffekt! Beim Fernglas mit Tangentenbedingung passiert das ganz genauso, nur dass wir hier eine "virtuelle" Wand vor uns haben. Ausserdem sind wegen der Vergroesserung die Winkelgeschwindigkeiten wesentlich hoeher, dadurch sieht man den Globuseffekt bereits beim Schwenken entlang der Wand, d.h. man muss nicht an der Wand entlang laufen, denn ein relativ geringer Schwenk von 5 Grad reicht aus, um den Globuseffekt sichtbar zu machen, ohne dass einem die Wand wegkippt, wie es mit dem freien Auge passiert.
Ob es auch einen Globuseffekt mit dem freien Auge am Sternhimmel gibt, konnte ich bisher nicht ueberpruefen. Es gelingt mir einfach nicht, das Auge ueber den Himmel streifen zu lassen, ohne dabei von Punkt zu Punkt zu springen, ich kann also kein gleichmaessiges "Rollen" erzeugen. Es gelingt jedenfalls mit dem Fernglas, das nach der Tangentenbedingung korrigiert wurde, einen Globuseffekt sichtbar zu machen.
Wie stark diese tonnenfoermige Verzeichnung des Auges ausfaellt, darueber soll der oben beschriebene Test Daten liefern. Ich kann jetzt auch verraten, dass es einen ganz aehnlichen Test bereits gibt, unter echten Laborbedingungen und professioneller als meine Umfrage, und die Ergebnisse werden von Prof. Oomer in Delft gerade publiziert (sind aber noch nicht oeffentlich verfuegbar).
Viele Gruesse,
Holger Merlitz