Ich habe das vorlaeufige Ergebnis der Umfrage jetzt online:
www.holgermerlitz.de/globe/helmholtz.html
Auf dieser Seite habe ich auch den Versuch angestellt, die Ergebnisse zu interpretieren, das moechte ich an dieser Stelle nicht wiederholen. Stattdessen moechte ich zu der Behauptung Walter E. Schoen's Stellung nehmen, ich befaende mich bei meinen Untersuchungen auf einem "Irrweg". Ich hoffe, hier klarstellen zu koennen, dass das nicht der Fall ist.
Was die Abbildung des Fernglases anbetrifft ("Bildraum"), sind sich alle Leute einig: Die Tangentenbedingung ist frei von Verzeichnung, und mit der Kreis- und Winkelbedingung werden in zunehmendem Masse eine kissenfoermige Verzeichnung eingefuehrt. Der Streit beginnt dann, wenn es darum geht, wie das Auge diesen Bildraum wahrnimmt. Anders als bei der Kamera wird dieser ja nicht direkt auf eine Fotoplatte abgebildet, sondern mit dem Auge aus einem geringen Abstand betrachtet. Wie gross die dabei auftretenden Effekte der Perspektive sind, ist weiterhin umstritten. Man kann verschiedene Schulen unterscheiden:
1) Die traditionelle Abbe Schule, die davon ausgeht, dass das Auge den Bildraum ohne weitere Verzeichnungen direkt wahrnimmt, aehnlich wie eine Kamera. Boegehold (von Zeiss) vertrat diese Schule, und Walter E. Schoen ist ebenfalls Anhaenger dieser Schule, wenn ich seine Aeusserungen richtig interpretiere. Hier fuehrt die Tangentenbedingung zu einem verzeichnungsfreien Bild auch in Verbindung mit dem Auge.
2) Die Vertreter der Winkelbedingung. Whitwell, Tscherning und Weiss haben diese Schule zur Zeit des ersten Weltkrieges gegruendet. Sonnefeld hat die These weiter ausgebaut, dass das Fernglas in Verbindung mit dem Auge ein Bild genau dann frei von Verzeichnung abbildet, wenn es nach der Winkelbedingung korrigiert ist ("man sieht den Winkelraum"). Albrecht Koehler scheint auch Anhaenger dieser Schule zu sein, und ich war es bis zu diesem Test ebenso.
3) Helmholtz und Slevogt (Zeiss) hatten stattdessen die Kreisbedingung als die korrekte Form der Verzeichnung vorgeschlagen, um dem Auge ein verzeichnungsfreies Bild zu liefern.
Mein Versuch kann in diesem Zusammenhang interpretiert werden: Waere die Schule 1) korrekt, dann muesste Schachbrett A dem Auge aus der Naehe unverzeichnet erscheinen. Waere 2) korrekt, dann waere es Schachbrett D, waere 3) korrekt, dann waere es Schachbrett C.
Der Versuch deutet darauf hin, dass keine der traditionellen Schulen das richtige Ergebnis vorhersagt. Es scheint mir momentan am wahrscheinlichsten, dass ein Schachbrett mit der Verzeichnung k=0.6 einem Durchschnittsmenschen aus der Naehe unverzeichnet erscheint.
Jetzt zum Globuseffekt: Um die Verzeichnung des Schachbrettes (k=0.6) zu kompensieren, muss unser visuelles System eine entsprechende tonnenfoermige Verzeichnung aufweisen, die im Alltag allerdings nicht so leicht zu identifizieren ist. Ich gehe jedoch davon aus, dass diese tonnenfoermige Verzeichnung fuer den Globuseffekt verantwortlich ist, oder zumindest mitverantwortlich. Solange wir nicht beruecksichtigen, wie das Auge die scheinbaren Winkel der Objekte abbildet, koennen wir auch nicht beurteilen, wie sich die entsprechenden Winkelgeschwindigkeiten beim Schwenken verhalten.
Walter E. Schoen's Behauptung, die Tangentenbedingung wuerde dem Auge ein unverzeichnetes Bild liefern, ist meines Erachtens wiederlegt. Es mag ihn troesten, dass meine eigene These, die Winkelbedingung liefere ein unverzeichnetes Bild (Schule 2) ebenfalls nicht haltbar ist. Die Wahrheit liegt dazwischen, bei einer Verzeichnung zwischen k=0.5 und k=0.7. Ich werde jetzt die Transformationsgleichungen in meinen Computersimulationen an dieses neue Testergebnis anpassen und dann meine Simulationen wiederholen. Danach koennen wir entscheiden, ob die Berechnungen realistische Resultate liefern oder nicht.
Vorerst werde ich mich jedoch in den Urlaub abmelden - in 4 Wochen geht die Forschung dann weiter!
Viele Gruesse,
Holger Merlitz