Sehr geehrter Herr Schön,
selbstverständlich geht das Geldverdienen vor. Auch ich würde mich gerne hier öfter betätigen, aber einigermaßen fundierte Beiträge lassen sich bei mir nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln. Da mangelt es an der Zeit. Zumindest weiß ich wo ich nachschlagen muß.
Bis Sie wieder für das Forum tätig sein können, will ich noch ein paar Gedanken zu der Streitfrage zur Diskussion stellen.
Zunächst schlage ich vor, wir lassen der Einfachheit halber das weitsichtige Auge außen vor.
Punkt 1) Das Modell mit den Galilei-Fernrohr passt hervorragend auf die Brechungsmyopie bzw. das Gullstrand´sche Normalauge, weil einfach alle Bedingungen dafür erfüllt sind. Es passt zunächst von der Vorstellungskraft her nicht so gut zur Längenmyopie, was aber nicht heißt, daß man es nicht generell für alle Myopen anwenden kann.
Punkt 2) Es wird immer fein säuberlich zwischen Längen - und Brechungsmyopie unterschieden und gesagt, daß die Längenmyopie in der Überzahl ist. Wenn ich Kontaklinsen anpasse ( ich bin Augenoptiker) messe ich Hornhautradien. Ich stelle fest, daß der überwiegende Teil der Kurzsichtigen gegenüber den Rechtsichtigen stärker gekrümmte Hornhautradien hat, was darauf schließen läßt, daß es mehr Brechungsmyopien gibt als man denkt. Im Übrigen denke ich, daß es eh in den meisten Fällen eine Mischung aus allen möglichen Abweichungen vom Normalauge ist, das bedeutet aber: auch Rechtsichtige können eine Abweichung von der Norm, sowohl was die Länge, als auch die Brechung des Auges angeht, haben. Nur hat dann irgendwo ein Ausgleich stattgefunden, sodaß wieder Rechtsichtigkeit herrscht.
Punkt 3) Bei der Berechnung der Bildgrößen im Auge gibt es in der mir bekannten Literatur keinen Unterschied zwischen Längen - und Brechungsmyopie. Das ist zwar kein Beweis für meine Meinung, aber doch ein ziemlich gewichtiges Argument.
Versuchen wir also bei der Längenmyopie ohne das Galilei-Fernrohr Modell auszukommen und die Sache anders anzugehen.
Gegebene Werte : Gullstrandsches Normalauge
Gesamtbrechkraft Auge : 59,74 dpt
Bildseitige Brennweite Auge : 22,36mm
Dingseitige Brennweite Auge : 16,74mm
Brechzahl Auge : 1.336
Die bildseitige Brennweite des längenmyopischen Auges mit -5dpt berechnet sich wie folgt :
A´= A + D
A´= -5.0 + 59,74 = 54,74dpt, davon der Kehrwert = 0.01827m
Dieser Wert muß noch mit der Brechzahl Auge multipliziert werden :
0,01827 x 1.336 = 0,0244m oder 24,4mm
Ergebnis : Das längenmyopische Auge mit -5dpt ist rund 2mm länger als das Normalauge.
Da beim längenmyopischen Auge die Gesamtbrechkraft genau so groß ist, wie beim rechtsichtigen Auge müsste sich die Vergrößerung des Netzhautbildes über einen simplen Dreisatz errechnen lassen.
y2 = Netzhautbild myopes Auge
y1 = Netzhautbild rechtsichtiges Auge (geben wir mit 1 an)
a2 = bildseitige Brennweite myopes Auge 24,4mm
a1 = bildseitige Brennweite rechtsichtiges Auge 22,36mm
Y2 / y1 = a2 / a1
y2 = y1 x a2 / a1
y2 = 1 x 24,4 / 22,36 = 1,09123
Ergebnis : das Netzhautbild im längenmyopischen Auge ist um 9,1% gegenüber dem rechtsichtigen Auge vergrößert. (Wobei hier nochmals darauf hin gewiesen sein soll, daß dieses Bild nicht zu gebrauchen, weil absolut unscharf ist.)
Jetzt rechnen wir noch die Vergrößerung im brechungsmyopischen Auge aus.
Hier müssen wir die Bildgrößenformel wieder so wie vorgesehen anwenden, dh. mit Dinggröße y, Dingweite a und dingseitiger Brennweite Auge a´.
Zunächst die Bildgröße im normalsichtigen Auge :
Gegebene Werte :
y = 1m
a = -10m
a´= 16,74mm
y´= y x a´/ a
y´= 1 X 0,01674 / -10 = 0,001674m oder -1,674mm (das Minuszeichen bedeutet, daß das Bild auf dem Kopf steht)
Brechungsmyopisches Auge
a´= 18,27mm (s.o.)
y´= 1 x 0,01827 / -10 = 0,001827m oder -1,827mm
1,827 / 1,674 = 1,0914
Ergebnis : Das Bild im brechungsmyopen Auge ist um 9,1% gegenüber dem rechtsichtigen Auge vergrößert und damit genau so groß wie im längenmyopen Auge. Na sowas !
Jetzt erst kommt bei beiden Augen die Korrektion mittels- ja, mit was denn eigentlich ?, ins Spiel. Mit der idealen Korrektur von konfokal können wir leider nichts anfangen, da wir sie ins Auge einpflanzen müssten. Kommt als dem Hauptpunkt Auge am naheliegensten die Kontaktlinse an die Reihe. Durch ihre zerstreuende Wirkung verkleinert sie den Sehwinkel w´ so, daß das Bild wieder auf die Netzhaut fällt und die vorherige Vergrößerung des Netzhautbildes egalisiert und ganz gering überkompensiert wird.
Erst wenn in einem noch größeren Abstand zum Augenhauptpunkt Brillengläser zur Korrektur verwendet werden, kommt es zu einer nennenswerten Gesamtverkleinerung.
Um diese Uhrzeit liege ich eigentlich schon im Bett. Man möge es mir nachsehen, daß ich jetzt die letzten Berechnungen über Sehwinkel w´ und daraus resultierende Vergrößerungen nicht mehr anstelle. Nur noch kurz die Berechnung der bildseitigen Brennweite im brechungsmyopen Auge:
Hier rechnet man nicht mit der Fernpunktrefraktion sondern mit dem Refraktionsdefizit. Der Wert ist gleich, nur das Vorzeichen ist umgekehrt.
A´= RD + D
A´= 5,0 + 59,74 = 64,74dpt
Kehrwert a´= 0,02063m oder 20,63mm
Schlußsatz : Wenn die zerstreuende Kontaktlinse bzw.das zerstreuende Brillenglas es schafft, bei einem brechungsmyopen Auge die bildseitige Brennweite von 20,63mm um 1,73mm auf 22,36mm zu verlängern, dann sollten sie das auch bei einem längenmyopen Auge schaffen. Sollte sich allerdings herausstellen, daß hier für die etwas größere Differenz von 2mm eine stärkere Korrektur nötig sein sollte, würde das bedeuten, daß die Gesamtverkleinerung beim längenmyopen Auge sogar noch größer ausfällt, als beim brechungsmyopen Auge.
Aber wie gesagt, ich mache jetzt Feierabend, weswegen ich auch konfokal erst später auf seine Anmerkungen antworden kann.
Klaus Müscher