Hallo allerseits,
nachdem ich gestern abend schweigend und genießend zusammen mit Jan Münzer die Dämmerung beobachtet und ein virtuelles Leberwurstbrot vertilgt habe, heute morgen mein mir inzwischen zur lieben Gewohnheit gewordenes tägliches Cola-Wannenbad nach Herrn van den Bergs Rezept genommen habe, und mir auch Herrn Madagans und MPs Worte gründlich durch den Kopf gegangen sind, perlt eine obsessive Nachrede von „Versagen in einfachen Dingen“ oder von „üblen Tricks“ zukünftig leichthin ab. Befreit von dergleichen soll die zum Heimzahlen gedachte gleiche Münze in der Hosentasche bleiben und ich schildere einfach meine komplett andere Sicht über die Natur des unscharfen Bildes bei konstanter Gegenstandsweite, so anschaulich wie möglich.
Die Vorstellung, die Bildpunkte lägen im unscharfen Bild weiter auseinander und deshalb sei das Bild größer ist m.E. nicht richtig, denn der Begriff größer hat hier eine andere Bedeutung als sonst. Normalerweise versteht man unter einem scharfen größeren Bild im physikalischen Sinne ein Bild, das mehr Information enthält, weil darin nicht nur Bildpunkte weiter auseinanderliegen, sondern auch neue Bildpunkte, und damit neue Information im Zwischenraum der nun weiter auseinanderliegenden Bildpunkte des zuvor kleineren Bildes dazukommen. Fehlen diese neuen Bildpunkte, erscheint das Bild nur größer und blasser, aber die resultierende Vergrößerung ist leer. Die Bildpunkte liegen weiter auseinander, dazwischen kommt aber nichts neues dazu. Es ist, als würde man ein gepixeltes digitales Bild gedanklich in Einzelpixel zersägen, und dann alle Einzelpixel in beide Raumrichtungen auseinanderspreizen, ohne den entstehenden Zwischenraum mit neuer Information zu füllen. Stattdessen machen sich in den Zwischenräumen die aufgeblähten Bildpunkte breit (die Einzelpixel verteilen ihren Inhalt, sie zerfliessen sozusagen in die neu gewonnene unmittelbare Umgebung). Ein solches Bild ist im physikalischen Sinne nicht größer als das Ursprungsbild, es ist nicht vergrößert, es erscheint nur größer. (Es wäre vielleicht sinnvoller, statt von Vergrößerung von einer Art Verzeichnung zu reden). Nun kann man darüber streiten, ob man eine solche leere Vergrößerung doch noch eine Vergrößerung nennen darf, aber das ist ein sinnloser Streit um Worte. Sobald man nun aber sagt, die im (leer) vergrößerten Bild zu erwartende höhere Auflösung sei wegen der Bildunschärfe nicht nutzbar, spricht man dem leer vergrößerten Bild etwas zu, dass es nicht hat: zu erwartende höhere Auflösung, mehr Information. Nicht die Unschärfe ist es, die eine an sich vorhandene zusätzliche Information (im echten Sinn einer Vergrößerung) überdeckt, sondern die zusätzliche Information selbst fehlt.
Deshalb halte ich die Formulierung die aus dem unscharf vergrößerten Bild zu erwartende höhere Auflösung sei nur nicht nutzbar für verkehrt. Prinzipiell kann man in der Ebene eines unscharfen Bildes eigentlich nicht mehr von Bildpunkten reden. Ein Bildpunkt ist ein komplexes System aus Bildscheibchen und Ringen das sich je nach Lage der betrachteten Raumebene, die dieses Gebilde durchschneidet, verändert. Die eigentlichen Bildpunkte liegen beim unscharfen Bild immer noch im Raum vor der Mattscheibe, sie verteilen ihre Lichtenergie, da sie dort nicht aufgefangen werden, jetzt aber kegelförmig dahinter auf die Mattscheibe, so dass dort als Querschnitte der Kegel nun sich überlappende und mit zunehmender Bildhöhe verzeichnete blasse Zerstreuungskreise zu liegen kommen. Die gedachten Mittelpunkte dieser Kreise sind zwar in der Ebene des unscharfen Bildes weiter von einander entfernt, aber diese Mittelpunkte sind ein bloßes mentales Konstrukt. Physikalisch gesehen ist die Information der Ursprungsbildpunkte, die ortsfest im Raum vor der Mattscheibe liegen, in der Ebene der Mattscheibe über nun größere kreisähnliche sich überlappende Bereiche komplett delokalisiert. Die Ursprungsbildpunkte im Raum davor haben weder Lage, noch Abstand zueinander verändert.
Wenn man eine (echte) Vergrößerung auf einem unscharfen Mattscheibenbild zu beobachten glaubt täuscht man sich, denn diese Vergößerung ist nur leer, und man kann die „Leere“, wenn man genau hinschaut, auch erkennen. Dann sieht man nämlich, dass jede Kontur im ürsprünglich scharfen Bild sich nun nach zwei Seiten hin auseinandergespreizt hat, eine weiter nach außen, eine weiter nach innen. Da bei diesem Auseinanderspreizen die Spreizung nach außen mit zunehmender Bildhöhe größer ausfällt als nach innen, nimmt man vermeintlich eine Vergrößerung wahr, schaut man aber ganz genau hin, sieht man die korrespondierende kleinere Spreizung nach innen ebenso. Man kann das gut an verschiedenen Fenstern beobachten. Schaut man das Bild eines hell erleuchteten Fensters scharf hinter einer Linse auf einem Blatt Papier an und vergrößert dessen Abstand zur Linse, wandert die Außenkontur der hellen Innenfläche des Fensters im Bild scheinbar vergrößernd nach außen. Die zugleich nach innen wanderende Innenkontur des Fensterrahmens wird von der scheinbar vergrößerten hellen Innenfläche des Fensters überdeckt, es ensteht durch die auswärts größere Spreizung der Eindruck eines größeren Fensterrahmens. Um die Einwärtswanderung einer Kontur besser sichtbar zu machen muß man sich zum Beispiel am Nachbarhaus ein dunkles Fenster mit hellem Rahmen suchen, die Verhältnisse also genau umkehren. Dessen scharfes Abbild wird bei Abstandsvergrößerung die immer gleichzeitig erfolgende Spreizung nach innen nun deutlich zeigen. Die dunkle Innenfläche des Fensters verkleinert sich nämlich nun mit größerem Abstand zwischen Papier und Linse, weil die Innenspreizung der hellen Umrahmung nun die dunkle Innenfläche verdeckt. Dies Beobachtungen zeigen, ein unscharfes Mattscheiben- oder hier Papierebenenbild ist niemals (echt) vergrößert, sondern nur scheinbar, in Wahrheit ist es delokalisiert.
Diese Überlegungen sollen deutlich machen, dass der Begriff vergrößert für ein unscharfes Bild konstanter Gegenstandsweite m. E. ungefähr so sinnvoll ist, wie der einer Brennweite für ein afokales System.
5-mal bearbeitet. Zuletzt am 24.08.08 22:24.