Verzeichung hin oder her: Verzeihung, aber wir reden nicht von der selben Sache. Es geht hier um den SSW, der u.a. von Herrn Schön vor Jahren in diesem Forum eindeutig definiert worden ist. Und dieser SSW kann leicht gemessen werden. Er gibt den Eindruck wieder, den man hat, wenn man durchs Fernglas/Spektiv guckt und ist ein Merkmal des Okulars, der bester Beweis dafür ist, daß er bei Astro-Okularen angegeben wird; er hat also weder etwas mit dem Objektiv, der Vergrößerung, dem tatsächlichen Sehfeld oder irgendwelchen "Berechnungssystemen" zu tun.
MC
PS Wenn es hilft, hier nochmal die Ausführungen Herrn Schöns (als PN an mich):
Am 19.03.2011 um 06:33 schrieb Marc Champollion:
Lieber Herr Schön,
Ein FG wird vom Hersteller beschrieben mit 54,9° SSW. Konfokal und Korth sagen, diese Angabe dürfe man nicht ohne weiteres vergleichen mit denen von anderen Gläsern, denn es hängt von der verwendeten Meß- oder Rechenmethode ab. (Das FG hat 122 meter bei 8,5x).
Nach einer anderen Methode käme man auf fast 60°.
Und ich dachte, der SSW sei ein objektiver Wert, der den Seheindruck wiedergibt, also, ob man durch ein großes oder ein kleines rundes Loch guckt!
Marc Champollion
-------- Original-Nachricht --------
> Datum: Sat, 19 Mar 2011 10:24:21 +0100
> Von: "Walter E. Schön" <email@weschoen.de>
> An: "Marc Champollion" <champollion@gmx.de>
> Betreff: Re: SSW
> Lieber Herr Champollion,
>
> eine Berechnung des SSW aus dem tatsächlichen Sehwinkel oder dem
> Sehfeld auf 1000 m und der Vergrößerung stimmt nur dann mit dem beim
> Blick durchs Fernglas gesehenen Winkel überein, wenn ...
>
> 1. der Vergrößerungsfaktor genau genug bekannt ist (er wird in der
> Regel gerundet, der Rundungsfehler kann klein, aber auch beträchtlich
> sein) und
>
> 2. die Verzeichnung am Sehfeldrand genau genug bekannt ist und
> berücksichtigt wird.
>
> Wenn die Verzeichnung am Sehfeldrand den Wert x (in Prozent) hat, die
> Vergrößerung (in Bildzentrum) den Wert V hat und das Sehfeld auf 1000
> m den Wert s (in Meter) hat, dann beträgt der scheinbare Sehwinkel
>
> SSW = 2 · arc tan ((100+ x) · V · s : 200000)
>
> Die beiden meistens benutzen Formeln zur Angabe des SSW in technischen
> Daten liefern nur Näherungswerte, weil sie entweder
>
> 1. gemäß ISO mit der Formel SSW = 2 · arc tan (V · s : 2000) die
> Verzeichnung ignorieren* oder
>
> 2. gemäß der einen größeren Wert liefernden und daher bei den
> Herstellern beliebteren Formel SSW = 2 · V · arc tan (s : 2000)
> einfach den tatsächlichen Sehwinkel mit der Vergrößerung
> multiplizieren, was aber nur dann stimmt, wenn die Verzeichnung der
> sog. Winkelbedingung genügt, also unter Annahme einer meistens
> größeren kissenförmigen Verzeichnung, als sie das Fernglas tatsächlich
>
> aufweist.
>
> Weil insbesondere viel europäische Ferngläser zur Abschwächung des
> Zylindereffekts (vulgo: Globuseffekts) doch eine relativ hohe
> kissenförmige Verzeichnung aufweisen, liegt der gemäß der
> Winkelbedingung berechnete Wert oft näher am tatsächlich gesehenen
> Winkelwert als der nach der Tangentenbedingung berechnete. In den
> meisten Fällen aber liegt der tatsächlich gesehene Winkel annähernd in
> der Mitte zwischen den Ergebnissen beider Formeln oder geringfügig
> höher.
>
> * In der ISO wurde diese Formel nicht dafür gewählt, um einen Wert zu
> ermitteln, der dem tatsächlichen visuellen Eindruck entspricht,
> sondern um damit die Größe des tatsächlichen Sehfeldes als
> bildseitigen Winkelwert zu repräsentieren, also zu zeigen, wieviel
> "Umgebung" der Betrachter sieht. Denn diese Formel liefert nichts
> anderes als den scheinbaren Sehwinkel, den das Fernglas böte, wenn es
> nicht verzeichnete, also das Sehfeld nicht künstlich "aufblähte".
> Insofern ist diese Formel durchaus sinnvoll, um dem Anwender ohne
> Verfälschung durch Verzeichnung mitzuteilen, "wieviel Umgebung" er im
> Fernglas sieht. Damit soll verhindert werden, daß ein die Verzeichnung
> sehr groß wählender Hersteller beim Anwender durch den derart
> aufgeblasenen SSW den Eindruck erweckt, man würde durch dieses
> Fernglas ein deutlich größeres Umfeld überblicken. In der Praxis
> stimmt der damit errechnete Wert nur dann mit dem vom Beobachter
> gesehenen überein, wenn das Fernglas ein unverzeichnetes Bild liefert
> (das ist kaum, aber bei einigen japanischen Ferngläsern doch
> näherungsweise der Fall).
>
> Diese beiden miteinander konkurrierenden Berechnungsmethoden haben ein
> Dilemma geschaffen, weil in den meisten Fällen nicht gesagt wird
> (Nikon ist hier eine rühmliche Ausnahme), nach welcher der beiden
> Formeln der in den technischen Daten angegebene Wert berechnet wurde
> und die meisten Anwender nicht in der Lage sind, das selbst
> herauszufinden, oder gar nicht darauf achten. Dies und die Tatsache,
> dass in der Regel weder das Ergebnis der einen noch das der anderen
> Methode mit dem übereinstimmt, was der Betrachter tatsächlich als
> Bild- oder Sehwinkel wahrnimmt und ihm den Eindruck eines weiten oder
> engen Blicks (im zweiten Falle evtl. eines "Tunnelblicks") verschafft,
> haben mich veranlasst, den scheinbaren Sehwinkel aller mir greifbaren
> Ferngläser zu messen und mit meiner SSW-Übersicht der Allgemeinheit im
> Jülich-Forum zur Verfügung zu stellen.