Hallo Hans,
danke für Deinen Bericht. Vieles darin sehe ich genau so wie Du; mit der Schilderung Deiner Eindrücke gehe ich im wesentlichen einig (allerdings auf der Basis meiner Kenntnis des 8x42, das 10x42 kenne ich nach wie vor nicht).
Mir scheint, dass auch anderswo mittlerweile der „Hype“ um 3D-Effekt und Schärfentiefe nachgelassen hat und das Glas in der Zwischenzeit etwas nüchterner besprochen wird. Und das ist gut so.
Ich habe das Noctivid nun während rund zweier Monate im Gebrauch und möchte meine ersten Eindrücke hier kurz aufdatieren.
Neben Ausflügen ins „Feld“, wo ich nur das Noctivid dabei hatte, habe ich es wiederholt und ausgiebig im Vergleich zum SF und zum EL SV getestet, oftmals über längere Zeit Seite an Seite, sowohl montiert auf Stativ als auch Freihand, über sehr unterschiedliche Distanzen (50m < D < 16km), bei Tag und in der Dämmerung, im Gebirge und im Flachland, bei Schnee und Sonne wie auch bei trübem, leicht nebligem Wetter (aber ohne Verwendung für Astro; 8x42 ist für meine Zwecke keine ideale Astrogrösse).
Bin ich mit dem Noctivid allein unterwegs, dann vergesse ich alle Vergleiche und freue mich einfach über die rundum gute Leistung dieses Glases. Da wird die leichte Kritik am zu engen Durchgriff oder an der nicht optimalen Platzierung des Fokusrades in den Hintergrund geschoben. Zählen tut statt dessen der erstklassige Einblick, den Du, Hans, auch bestätigst; die ausgezeichnete Abschirmung gegen Streulicht - da hat Leica wirklich gute Arbeit geleistet; das sehr angenehme, „ruhige“, farbsatte helle Bild – das bis weit an den Rand gleichmässig scharfe Bild zeigt keinerlei „Sprünge“ oder sonstige Sondereffekte („Absam-Ring“ etc.). Du schreibst, der Uebergang vom scharfen in den am Rand etwas weniger scharfen Bildbereich sei „weich“ – finde ich sehr gut beschrieben ! Zudem ist, wie Du auch bemerkst, der scharfe Bereich viel weiter als bisher bei den HD und HD+. Schärfe und Kontrast scheinen mir insgesamt hervorragend. Weideland und Aecker am Waldrand bei trübem, leicht nebligem Wetter (nasskaltes Wetter, kein Schnee): trotz geringen sichtbaren Farbunterschieden scheint das Bild des Noctivid immer gute Anhaltspunkte über die räumliche Staffelung der Landschaft und die gegenseitigen Positionen der näheren und der ferneren Elemente zu geben. Bei starker Sonne in den Alpen, Blick auf Berge mit Schneefeldern, aufgebrochenem Gletschereis und schroffen Felsformationen in abwechselnden Strukturen: das Noctivid zeigt kaum einen Hauch CA, trotz teilweise blendender Helligkeit gibt es die wechselnden Strukturen einwandfrei wieder. Das Schwenkverhalten könnte besser kaum sein, ruhig und stetig gleitet das Bild vor den Augen vorbei, Verzeichnung scheint kaum vorhanden, aber von einem Globuseffekt ist nichts zu bemerken.
Auch stationär im Vergleichstest, insbesondere auf Stativ setzt sich der gute Eindruck fort. Ich habe Stunden damit verbracht, das Noctivid gegen SF und EL SV an nahen und fernen Objekten zu vergleichen. Dabei hat sich der schon ganz zu Beginn gewonnene Eindruck bestätigt, dass das Noctivid in Mittenschärfe und Kontrast den Konkurrenten von Zeiss und Swarovski das Wasser reichen kann (dass ich auf Stativ in 10km Entfernung auf dem Augstmatthorn Steinböcke zuerst mit dem Noctivid ausmachen konnte, die ich erst nachher auch im SF und im EL SV ebenfalls sah, kann ich nicht wirklich als Ueberlegenheitsbeweis anführen; ich war intensiv am Scannen mit dem Noctivid und vermute, ich hätte die Tiere mit den anderen Gläsern ebenso entdeckt – „who knows“).
Im USAF 1951 – Test, den ich (wie bereits mehrfach hier diskutiert) nur als zusätzliches Indiz und nicht als wirklich gültige Bewertung betrachte, scheint mir das Noctivid im wesentlichen gleichauf mit dem SF und dem EL SV, auch mit 2.5x und 4x Booster bekomme ich keine signifikant unterschiedlichen Ergebnisse, die eine eindeutige Ueberlegenheit eines der Gläser bei der Mittenschärfe anzeigen würden. Es kann sein, dass jemand mit besseren Augen und / oder mehr Uebung hier zu einem verlässlicheren Ergebnis kommt. Ich für mich bleibe bei der Aussage, dass Leica mit dem Noctivid bezüglich Bildschärfe mit Zeiss und Swarovski gleichgezogen hat; der Unterschied des Noctivid zum HD+ ist aus meiner Sicht nicht zu übersehen (und klar grösser als jener zwischen HD und HD+).
Dass das SF einen – für mich – massiven und das EL SV einen sehr deutlichen Globuseffekt zeigt, während das Noctivid diesbezüglich eindeutig besser abschneidet, ist für mich persönlich nicht so bedeutsam. Für Viele mag dies aber ein entscheidender Vorteil des Noctivid sein.
Dass auf der anderen Seite das EL SV, und klar mehr noch das SF, aus meiner Sicht in der Ergonomie (grösserer Durchgriff; bessere Platzierung der Fokussierung) dem Noctivid überlegen sind, dürfte für Viele wohl ebenfalls nicht den Ausschlag geben. Wie ich selber feststellte, gewöhnt man sich an die Eigenheiten des Noctivid beim Gebrauch rascher, als ich erwartet hätte. Du bestätigst das in Deinem Bericht.
Fazit für mich: das Noctivid ist eines der ganz wenigen Spitzengläser, die es heute zu kaufen gibt, und ich meine, seinem Erfolg dürfte wenig im Weg stehen; allenfalls der hohe Preis ? In jedem Fall, wie Du schreibst, ein wirklich interessantes Glas.
Viele Grüsse. Pinac