Hallo Herr Schneider,
Ihre konstruktive Entgegnung hat mich gefreut - auch weil ich in einigen Punkten anderer Meinung bin, denn gerade die Unterschiede sind es ja, die den Gedankenaustausch interessant werden lassen.
Sie halten die Kompetenz und ihren Transfer in den Nikon-Entwicklungsabteilungen für fraglich und führen als Beispiel die eingestellte SE-Porroserie an. Ich glaube, dass Nikon hier technisch sehr wohl hätte nachbessern können, erinnere mich aber an einen Hinweis von Herrn Weigand, der als Insider die zu hohen Kosten ins Feld führte und der wissen wird, wovon er redet. Vermutlich hat man aus den mäßigen Verkaufszahlen dieser ansonsten hervorragenden Fernglasserie auf zu geringes Marktpotential geschlossen und leider angenommen, eine teure Okularneuentwicklung mit besserem Einblick werde sich nicht rechnen, also eine kaufmännische Entscheidung getroffen, keine technische. Know-how-Defizite oder schlechten Wissenstransfer beim Thema Einblick könnte man eher Swarovski vorwerfen: wenn das gute Einblickverhalten des 8,5er wirklich mehr als Zufall wäre, weshalb wurde es nie auf andere Modelle übertragen?
Dass Nikon weite Sehfelder nicht beherrsche und sich gar davor drücke, denn hier erst begänne die Kunst, halte ich für ebenso für recht fragwürdig. Nicht nur weil die E II Porros nach wie vor mit die größten Sehfelder des aktuellen Marktes bieten, sondern auch, weil eigentlich nur das 8x42 HG ein unterdurchschnittliches Sehfeld zeigt, die anderen HGs sind auf klassenüblichem Niveau und das bei überdurchschnittlicher Randschärfe und Verzeichnungsarmut. Die Silberverspiegelung bei einem Premiumglas würde ich auch nicht als unwürdig bezeichnen, den minimalen Reflexionsverlust im Blauen bemerkt man nur in der Dämmerung oder an sehr trüben Tagen wenn man einen direkten Vergleich mit einem dieelektrisch verspiegelten Premium-Dachkant oder einem erstklassigen Porro hat - dann aber fällt er auf, zugegeben. (Berücksichtigt man den Straßenpreis, der nur bei gut der Hälfte von Swarovskis Forderungen liegt, relativieren sich die Dinge jedoch. Selbst die neuen EDG liegen laut gegenwärtig genannten UVP preislich 15% unter den neuen ELs).
Was die verbesserungswürdige (aber keineswegs unwürdige) Fokussierung Swarovskis angeht, lassen die Bilder leider nicht auf eine verlängerte Achsführung bei den neuen ELs schließen, denn die oberen Knickbrückenstege sehen genauso schmal aus, wie bei den Vorgängern. Im Gegensatz dazu scheint Nikon diese Schwachstelle großzügiger und deutlich robuster dimensioniert zu haben, wie man in diesem Händlerwerbevideo bei einem EDG sehen kann:
www.youtube.com/watch?v=W2w5TEGOvPk
Beim Thema Bilddefinition ist mein persönlicher Eindruck, ganz entgegen Ihrem, dass die bisherigen ELs besonders beim Kontrast aber auch bei der Auflösung mittlerweile das Schlusslicht der 4 Premiummarken sind, allerdings auf sehr hohem Niveau. Die Unterschiede sind zwar klein und dürften für viele Anwender unmerklich sein, sie sind aber wahrnehmbar. Swarovski hat insgesamt eine für frühere Verhältnisse ausgewogene Abstimmung erzielt, da stimme ich zu, konnte aber, wie Sie selbst sagen, bei der Bildqualität den Abstand zu den Mitbewerbern Leica, Zeiss und auch Nikon nicht noch größer werden lassen. Wir werden sehen, wie sie bei den neuen ELs ausfallen wird, und wie sich die neuen EDGs hier schlagen werden, denen ich intuitiv am ehesten die Spitzenposition zutraue – aber das bleibt abzuwarten.
Jedenfalls glaube ich, dass sich unter Nikons Dächern insgesamt erheblich mehr optischer, feinmechanischer und elektronischer Sachverstand versammelt als in Tirol. Und dass wichtige Schlüsseltechnologien wie Vergütung, Glasbearbeitung, Optikdesign, Fertigungspräzision, etc. konzernintern und abteilungsübergreifend optimiert werden. Deshalb war mir nicht der Umsatz als Maß für Marktführerschaft wichtig, sondern ich hatte die „Brainpower“ gemeint und vom Ingenieurpotential gesprochen. Wieviel davon bei Nikon speziell der Fernoptik zugute kommt, ist natürlich die Frage. Aber man wird feststellen dürfen, dass man sich bei Swarovski nicht gerade auf wirklich herausfordernde optische Entwicklungen bei anspruchsvollen Geräten wie z.B. Hochleistungs-Mikroskopen versteht, sondern allenfalls, um die schmale optische Produktpalette Swarovskis boshaft zu charakterisieren, auf zünftig „designtes“ Jagdzubehör. Alle anderen Premiumhersteller können in Sachen Hi-Tec mehr – viel mehr. Und werden das ein oder andere davon in ihre Fernoptikentwicklung einbeziehen.
Zum Schluß aber muß ich Ihnen noch einmal recht geben, lange Produktzyklen und vorsichtige Modellpflege bei einem Spitzenprodukt sind nicht grundsätzlich schlecht, nicht zuletzt wenn man daran denkt, dass wir dringend weltweit zu einer dramatisch anderen und nachhaltigen Wirtschaftsweise werden finden müssen.
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.07.08 17:15.