Hallo Kritiker,
'Behauptung' hat so einen negativen Grundton. Ich interpretiere nach meinem besten Wissen die mir zu Verfügung stehenden Daten, versuche dies mit der Anmerkung: "...soweit es mir bekannt ist..." auch deutlich zu machen und stelle das Ergebnis meiner Gedanken hier zur Diskussion, bei der wir ja nun erfreulicherweise auch angelangt sind. Ich meinte also nicht das vom individuellen Farbsehvermögen abhängige Gesamtergebnis des Schönschen Papiertests im Bezug auf die Farbwiedergabe eines Fernglasbildes, zumal ich eine recht ausgeprägte Rot-Grün-Schwäche habe und daher dabei immer andere Personen um ihr 'Farburteil' bitte, bevor ich mich dazu hier äußere, sondern die in der Zeitschrift 'Vögel'(Heft 02/2010) veröffentlichten Transmissionskurven einiger (10-10,5)x(37-44) Modelle, die in den "Testlabors von Leica, Minox und Zeiss im deutschen Optik-Mekka Wetzlar/Solms" ermittelt wurden. Ich nehme an, die dort beschäftigten Techniker werden für eine im Großen und Ganzen korrekte Messung gesorgt haben.
Der Vergleich der Kurven des Kowa Prominar 10,5x44 und des Leica Ultravid 10x42 HD zeigt mir, daß der Verlauf der Transmission beim Kowa etwa im Zentrum des Wellenlängenbereichs des sichtbaren Lichts zwischen ca. 380 und 770 nm bei ca. 570 bis 590 nm sein Maximum erreicht(von einem klitzekleinen Peak bei ca. 600 nm einmal abgesehen), wobei sie im Bereich der Wellenlängen, für die das Auge am empfindlichsten ist(ca. 505 bis 555 nm), nur um ca. 1 oder 2% ansteigt, also annähernd konstant verläuft. Die gesamte Transmissionkurve erscheint im Bereich zwischen etwa 395 nm und ca. 740 nm symmetrisch. Sie steigt erst stark, dann zunehmend schwächer bis zum Beginn des Bereichs der höchsten Empfindlichkeit an, verläuft dann fast konstant und bildet dabei also annähernd ein Tranmissionsplateau(Motorradfreunde kennen das vom Drehmomentverlauf guter Motoren) bis die Kurve bei ca. 640 nm wieder zunehmend abfällt.
Beim Leica liegt der Bereich maximaler Transmission bei etwas größeren Wellenlängen zwischen etwa 570 nm und 630 nm, also im Bereich von Gelb über Orange bis ins Rot. Im Bereich von 500 bis 570 nm steigt die Transmission kontinuierlich an, um insgesamt etwa 5%. Obwohl diese einfache Betrachtung der Diagramme kein exakte Analytik zuläßt, erscheint mir nicht nur das Maximum der Transmission sondern auch der Schwerpunkt der Kurve bzw. der Flächenschwerpunkt der durch sie umschlossenen Fläche bei deutlich höheren Wellenlängen als beim Kowa, also im Bereich von Gelb, Orange und Rot zu liegen, was nach meinem Verständnis zu einer stärkeren Gewicht dieser Wellenlängen und nach meiner persönlichen Farbwahrnehmung bei der Verwendung von Leica-Ferngläsern zu einem dementsprechend 'farbenfroheren' und 'satteren' Bild, gerade bei den Farben Gelb, Orange und Rot führt.
Die genauen theoretischen Zusammenhänge zwischen dem Verlauf der Transmissionskurve und dem Kontrast, wenn man diesen so generell einen solchen nennen kann, kenne ich natürlich nicht, aber ich kann mir gut vorstellen, daß der größere 'Kontrastumfang' oder die größere 'maximale spektrale Farbwiedergabebreite bzw. Transmission' eines dementsprechenden Glases vom Kunden nicht unbedingt geschätzt werden könnte, weil dies wohl auch andere Anforderungen an unseren Wahrnehmungsapparat und die Verarbeitung des Bildes stellt. Dabei ist es dann auch interessant, daß die meisten Beobachter dem Zeiss die bessere Auflösung attestieren, während dem Leica der bessere Kontrast zugesprochen wird. Wie Sie ja schrieben, sollte doch hoher Kontrast und hohe Auflösung in bester Auflösung resultieren. Insofern nehme ich Ihre Anregung zum Nachdenken auf, freue mich auf das Jahr 2011, hoffe aber auch, daß hier jemand diese Diskussion mit Fachwissen weiterführen hilft. Meine Physiklehrer haben mich leider nicht für die Optik begeistern können und beruflich habe ich damit auch nichts zu tun. Da gilt es also einiges aufzuarbeiten, so ganz allein am Schreibtisch... Oder doch nicht allein?
Grüße aus dem Zentrum des Tiefausläufers
Jan Münzer
PS Die nächste Ausgabe von 'Vögel', das Heft 03/2010 erscheint am 4. Juni. Es sollen weitere Testergebnisse vorgestellt werden, insgesamt werden 12 Gläser in mehreren Teilen besprochen. Jede Ausgabe wird wohl nur ein Zeiss oder Swaro oder Nikon dabeihaben, damit wir recht lange mitlesen. Mal sehen, vielleicht erscheint ja bald die Kurve des Zeiss.