Letzte Woche waren wir (drei langjährig erfahrene Beobachter) auf Zypern. Unsere Ausrüstung bestand aus einem alten 60er Kowa-Prominar + leichtem Manfrotto-Alu-Stativ, Zeiss Diascope 85 FL + mittelschwerem Manfrotto-Alu-Stativ, Leica APO-Televid 77 + Gitzo Carbon-Stativ sowie aus den Ferngläsern Leica Trinovid 10x42 BA, Zeiss 10x40 B/GA Dialyt + Zeiss Victory 10x42 Fl neuester Bauart. Das Wetter erwies sich als ausgesprochen heiß (bis 30° im Schatten) mit zunehmend drückender werdenden Temperaturen, die ganze Insel schien von Staub überzogen.
Wir wollten neben den Kleinvögeln in Garrigue und Macchia auch rastende Limicolen, ziehende Großvögel und Seevögel im Gebirge und an der Küste beobachten und nahmen deshalb auch die großen Spektive mit.
Manche Kleinvögel erwiesen sich wie befürchtet als das mit Abstand anspruchsvollste Bestimmungsproblem, Geschwindigkeit ist unter solchen Bedingungen alles. Im Normalfall muss der Beobachter ein Stativ samt Spektiv auf der Schulter tragen und in vielen Fällen gleichzeitig mit einer Hand das Fernglas ans Gesicht reißen und blitzschnell fokussieren, und dann sieht er meist nur eine sich im 1. Winterkleid befindende mediterrane Grasmückenart weghuschen, die höchstens ruft, aber natürlich nicht singt. Ist so ein Vogel erst einmal im Innern der niedrigen, oft stacheligen Vegetation verschwunden, wird man meist vergeblich auf einen brauchbaren Anblick hoffen. Ich schätze, dass wir nur etwa 10% der Grasmücken 3 sec oder länger sahen, auf Grund der Rufe oder einiger weniger singenden Altvögel konnten wir mehr bestimmen, aber das war richtig Arbeit. Schwarzkehlchen und Steinschmätzer sind dagegen auch was für die Spektive, zum Teil auch einige Laubsänger. Eine sichere und schnelle Fokussierung ist unter solchen Bedingungen das Wichtigste, daher würde ich es begrüßen, wenn Erfahrungsberichte auf diesen (für den Himmelsbeobachter sicher weniger) wichtigen Punkt mehr als bisher eingehen würden, z.B. so, wie Herr Schön und Herr Merlitz dies vor einigen Wochen vorschlugen. Daneben sollte das Fernglas möglichst einhändig bedienbar sein, das ist zwar immer reichlich wacklig, aber viel besser als nichts. Ärgerlich für mich war in diesem Zusammenhang eine völlig überraschend und natürlich auch nur kurz fliegende Doppelschnepfe, die ich deshalb nicht richtig ins Bild bekam, weil ich erst das Stativ absetzte, um noch zweihändig beobachten zu können. Dagegen lobe ich mir einen unglaublichen Trupp von über 3000 Rosapelikanen, den wir auf seinem Weg über die Insel Richtung Libanaon oder Israel ausgiebig bewundern konnten und der wohl für jeden von uns den ästhetischen Höhepunkt unserer Tour darstellte. Die riesigen Segelflieger schwebten in mehreren Keilen wie weiße Luftballons ein und kreisten fantastisch im Aufwind.
Weitere Schlussfolgerungen: Das 60er Spektiv ist unter den gegebenen Bedingungen mit Carbon-Stativ erwartungsgemäß von den Stativ-Spektiv-Kombinationen am besten für Kleinvögel und im Gebirge geeignet, am Wasser und am Felsen ist es den beiden großen Spektiven wegen der geringeren Vergrößerung unterlegen. Das mittelschwere Alu-Stativ ist auch zusammen mit dem leichteren Diascope 85 zu schwer für Macchie, Halbwüste oder Gebirge, die Carbon-Stativ-Kombination mit Leica APO 77 erwies sich hier als besser geeignet trotz des schwereren Spektivs, und das bestätigt mich in meiner Meinung, dass die Gewichtsunterschiede der großen Spektive meist nicht so entscheidend sind wie das Stativ, zumal auch große Zoom-Okulare etwas wiegen!
Ob Stativauszüge mit Dreh- oder Klemmbefestigungen versehen sein sollten, möchte ich nicht eindeutig entscheiden. Das Drehen kann länger dauern, dafür bleibt man im Gestrüpp oder Wald weniger leicht hängen und es lösen sich keine Befestigungsschrauben.
Übrigens erwies sich auch LotuTec im staubigen Zypern als sehr angenehm für die Reinigung und wird von mir jetzt als wichtiger angesehen als vorher (wenngleich nicht als kaufentscheidend)!
MP