Es freut mich stets, wenn ich sehe, dass es noch Menschen mit Verantwortungsgefühl für ihre Sprache gibt. Danke, Herr Chmela!
Leider neigt Otto Normaldepp dazu, englische (genauer: amerikanische) Begriffe gedankenlos zu übernehmen und wohl auch interessanter zu finden. Wer von Cropfaktor spricht, weist sich vermeintlich als Digital-„Insider“ aus.
In dem Text von CeWe, zu dem der Link von „HW“ führt, wird gesagt
„24 x 36 mm große Sensoren ... werden jedoch nicht als Kleinbild- oder 35-mm-Sensoren bezeichnet, sondern als Vollformat- oder Fullformat-Sensoren, wobei (zeitgemäß) die englische Bezeichnung die Oberhand zu gewinnen scheint“.
Dabei bedeutet dort „zeitgemäß“ eigentlich nichts anderes als „gemäß einer um sich greifenden Sprachverhunzung“. Denn es ist doch idiotisch, in einem deutschen Text „Fullformat“ anstelle von „Vollformat“ zu schreiben.
Der Begriff „Cropfaktor“ ist auch deshalb ein falscher Begriff, weil er einen auf die Brennweiten bezogenen Faktor angibt, nämlich den, um welchen sich die verwendete Brennweite scheinbar verlängert, wenn man denselben Bildwinkel auf eine Kleinbildkamera (Aufnahmeformat 24 mm x 36 mm) überträgt.
Nimmt man „crop“ wörtlich, müsste die zugehörige Zahl der Kehrwert dessen sein, was als Cropfaktor ausgegeben wird. Denn das Kleinbildformat wird linear auf 1/1,5 (Nikon) bzw. 1/1,6 (Canon) zum APS-C-Format bzw. linear auf 1/2 zum 4/3-Format beschnitten(= kleiner gemacht, nicht größer!).
Was als „Cropfaktor“ bezeichnet wird, ist ein „Brennweitenfaktor“ (korrekter „kleinbildäquivalenter Brennweitenfaktor“), aber dieses Wort ist für die mundfaulen Otto Normaldeppen schon um zwei Silben zu lang und außerdem auch nicht „sexy“ genug.
Mit „Vollformat“ oder noch schlimmer „Fullformat“ verhält es sich ähnlich. Kleinbildformat ist um eine Silbe zu lang und gilt offenbar als sehr spießiges Deutsch. Ein tougher Yuppie (oder schreibt man schon „taffer Juppy"?) speakt Denglish!
Bedauerlicherweise gibt nach einer Weile der Gewöhnung auch die Mehrzahl der intelligenteren Menschen nach und plappert „Cropfaktor“ und demnächst wahrscheinlich auch „Fullformat“ nach. Mit dem blödsinnigen „nichtsdestotrotz“ (das irgendwann vor ca. zwei bis drei Jahrzehnten ein Witzbold aus „nichtsdestoweniger“ und „trotz“ verschmolzen hatte) oder mit „geil“ und „krass“ aus der pubertären Proletensprache ist es doch auch so gegangen. Diese Wörter gehören (in der Bedeutung zum Teil etwas gewandelt) inzwischen zum regulären Wortschatz von Fernsehmoderatoren, Werbeleuten und anderen verantwortungslosen Multiplikatoren. Und die Mehrheit übernimmt sie kritik- und wehrlos. Armes Deutschland.
N.N.