Ihr Vorschlag, das Fernglasobjektiv nach dem Vorbild des vierlinsigen Petzvalobjektivs zu bauen, hätte einige Nachteile.
Die aktuellen Fernglasobjektive mit Fokussierlinse zur Innenfokussierung sind so aufgebaut, daß vorn die wesentliche (positive) Brechkraft in Form eines meistens zweilinsigen, seltener dreilinsigen Objektivs konzentriert ist und in größerem Abstand dahinter eine relativ geringe negative Brechkraft in Form einer kleineren und recht leichten Zerstreuungslinse* axial verschiebbar angeordnet ist.
Dieses Konzept hat den Vorteil, daß die Fokussierlinse zugleich wie eine Barlowlinse brennweitenverlängernd wirkt, was im Umkehrschluß zu einer kürzeren Baulänge des Fernglases führt, als wenn das vorn sitzende Objektiv bereits diese längere Brennweite hätte.
Ein weiterer Vorteil ist, daß die Zerstreuungslinse wegen ihres großen Abstandes (der noch größer sein könnte, wenn nicht das Umkehrprismensystem nötig wäre, vor dem diese Linse sich befinden muß) deutlich kleiner im Durchmesser als das Objektiv sein kann und daher auch sehr leicht ist. Denn diese Zerstreuungslinse muß ja verschiebbar sein, und bewegliche Teile hat man gern so leicht wie möglich, damit die Halterung, die sehr präzise und leichtgängig sein muß, nicht unnötig stabil gebaut sein muß, was sie dann unnötig schwer machte. Auch ist so ein geringes Gewicht im Interesse der Robustheit des Fernglases wichtig. Denn eine größere Masse würde bei einem Schlag oder Sturz (also aufgrund der dabei erfolgenden hohen Beschleunigung beim Aufprall) höhere Kräfte freisetzen, die Befestigungselemente verbiegen, brechen oder reißen lassen könnte.
Würde man ein vierlinsiges Petzvalobjektiv benutzen, hätte die hintere (von Ihnen zum Fokussieren vorgeschlagene ) Linsengruppe eine ziemlich große Brechkraft, was die Baulänge etwas vergrößerte und beim Fokussieren sehr kleine Wege ergäbe, die wiederum sehr hoher Präzision erforderte, und das Objektiv wäre, weil auch die hinteren beiden Linsen große Durchmesser und zudem auch noch eine große Dicke haben, sehr schwer.
Die Petzval-Konstruktion ist eher für solche Anwendungen interessant, in denen ein sehr viel größerer Bildwinkel erreicht werden muß (z.B. 40° und mehr bei Fotoobjektiven) als bei einem Fernglasobjektiv, das je nach Vergrößerung nur in der Größenordnung von ca. 6° bis 10° bieten muß.
Bedenken Sie bitte immer auch, daß selbst eine perfekte Bildfeldebnung des Objektivs nicht reicht, wenn das Okular eine starke Bildfeldwölbung hat. Man muß beide Bildflächen (des Objektivs und des Okulars) gut ebnen oder evtl. durch entgegengesetzte Wölbung eine (Teil-)Kompensation anstreben, und es hat wenig Sinn, auf der einen Seite (z.B. beim Objektiv) mit einem Gewaltakt annähernd perfekte Ebnung zu erzielen, wenn die Bildfeldwölbung des Okulars vielfach größer ist. Dann läßt man lieber beim Objektiv ein wenig Wölbung übrig und strengt sich besser beim Okular an, wo dann der Aufwand im Gesamtergebnis mehr bringt.
Walter E. Schön
* Sehr selten kommt es vor (ich glaube, es mal bei einem Minox-Fernglas so gesehen zu haben), daß als Fokussierlinse eine Sammellinse benutzt wird, die sich dann beim Fokussieren in entgegengesetzter Richtung der Bewegung einer Zerstreuungslinse verschieben muß und zu einer größeren Baulänge führt. Mir ist nicht bekannt, warum eine solche Version benutzt wird, da ich keine Vorteile, sondern nur Nachteile sehe.