Wir verkaufen ab und zu mal ein Spektiv oder auch schon mal ein Fernglas, ich darf daher für mich in Anspruch nehmen, dass ich die Qualität beurteilen kann.
Jeder halbwegs intelligente Händler wird schon beim Wareneingang kontrollieren, was ihm ins Haus geliefert wurde und aussortieren, was seinen Ansprüchen nicht genügt. Dies nicht weil er ein Wohltäter ist, sondern weil es sich nicht gut macht, wenn man Kunden Ware verkauft, die später reklamiert werden muß. Es gibt Ärger und es kostet Geld.
Wir schauen uns daher jedes Stück Optik an, das ins Haus kommt.
Was gibt es an Reklamationsgründen?
Reklamationsgrund Nr.1 ist die Mechanik, also wird man diese überprüfen.
Reklamationsgrund Nr.2 sind eventuelle Verschmutzungen, optisch wirksame zuerst und dann ästhetische, also solche die man nur erkennt, wenn man mit dem Schwanenhalslichtleiter ins Objektiv schaut, die aber die Bildgüte nicht beeinflussen.
Nur so zu unserer eigenen Information bewerten wir dann noch die Abbildungseigenschaften, also Randschärfe, Kontrast, Auflösung. Das geht rasch und die Werte werden notiert. Unsere Reklamationsquote ist hier fast Null, die Abweichungen der ermittelten Werte sind minimal und erfahrungsgemäß nur bei astronomischen Objekten, z.B. offenen Sternhaufen, sichtbar, wenn man wirklich einmal schaut, wie es um die Punktabbildung bestellt ist.
Trotz unserer Eingangskontrolle gibt es weitere Reklamationen. Teilweise, weil wir Dinge übersehen haben, teilweise, weil man einen Mangel zu sehen glaubt.
Auch hier sind die Reklamationsgründe 1+2 absolut dominierend, es wird zwar auch schon mal Optik reklamiert, aber in den meisten Fällen können wir die Ursachen benennen und die Kunden beruhigen.
Die von unseren Lieferanten Leica, Swarovski und Zeiss angebotenen Fernoptiken zeigen wenn man mittig in das Okular schaut nur sehr kleine Farbsäume. Die Farbsäume nehmen bei unsymmetrischem Einblick stark zu. Dies ist mit weiten Abstand der Hauptgrund, wenn Farbsäume gesehen und moniert werden. Es leuchtet ein, dass eine sehr große AP den unsymmetrischen Einblick und das Entstehen von Farbsäumen erleichtert.
Bei kalten Spektiven kommt es vor, das die Handwärme in Höhe der Prismensätze ausreicht, um die Bilddefinition zu beeinträchtigen. Dies trifft Zeiss, Leica und fast alle Anderen mehr als Swarovski, weil die Aussenhaut beim Swarovski besser isoliert. Wenn man die Wärmequelle wegnimmt, dann beruhigt sich das Bild schon nach 1-2 Minuten.
Falls es interessiert, es gibt eine Modellpflege, die neu ausgelieferten Modelle sind meistens etwas besser als die älteren. Die Änderungen sind aber so klein, dass wir einen echtenA/B-Vergleich brauchen, um Unterschiede zu bemerken. Wenn Sie also kritisch vergleichen, dann sorgen Sie für gleiche Verhältnisse, spricht annähernd gleiche Herstellungstermine.
Wir bekommen auch Optiken, die bei anderen Händlern gekauft wurden. Diese sind in der Regel etwas stärker mit Mängeln behaftet, was aber normal ist, warum sollte man uns sonst ein solches Teil vorführen. Aber auch bei diesen "Fremdgeräten" ist die Reihenfolge der Reklamationsgründe die gleiche.
Was will ich damit sagen. Wenn die Händler ihren Beruf verstehen, dann braucht ein Käufer nicht durch mehrere Spektive oder Ferngläser zu schauen, er wird in der Regel viel weniger davon verstehen als der erfahrene Händler. Wer den Eindruck gewinnt, bei seiner Optik gäbe es einen Grund zur Reklamation, den der Händler nicht begreift, der kann sich an der Service der Hersteller wenden und die können sich unzufriedene Kunden nicht leisten. Einige von Ihnen haben vielleicht gelesen, wie wir die Geschichte mit dem uralten Swarovski gelöst haben, Premiumhersteller wollen keine unzufriedenen Kunden und deshalb hätten Leica und Zeiss dieses Problem genauso gelöst.
Werner Jülich