Ich stimme allen zu, die auf die Verwendung eines stabilen Neigekopfes verweisen. Ich habe mehrere Stative und Erfahrung mit vielen weiteren, die ich früher besaß oder im Rahmen meiner Seminare benutze.
1. Stativempfehlung
Die schlimmste Schwachstelle bei Stativen ist die Mittelsäule, und zwar sogar auch noch (natürlich in deutlich geringerem Maße) in ganz eingeschobenem Zustand. Deshalb haben Spektive mit abgewinkeltem Einblick den großen Vorteil, daß man sie mit Stativen ohne Mittelsäule benutzen kann, die leichter, billiger und deutlich stabiler sind als vergleichbare Stative mit Mittelsäule.
Carbonstative sind erheblich teurer (je nach Hersteller bis etwa zum Faktor 3), aber sparen bei gleicher Tragfähigkeit etwa 20% bis 30% Gewicht und weisen eine bessere Schwingungsdämpfung als Alustative auf. Ich habe deshalb kein Alustativ mehr.
Ich kenne allerdings ein Alustativ, das ich uneingeschränkt zur Vogelbeobachtung mit dem Spektiv empfehlen kann (siehe weiter unten).
Holzstative haben nicht nur wegen der Materialeigenschaften, sondern auch aufgrund der größeren Masse (die aber beim Schleppen ein großer Nachteil ist) auch eine gute, vielleicht sogar noch etwas bessere Schwingungsdämpfung, aber die muß im wahrsten Sinne des Wortes „schwer“ erkauift werden. Das schränkt die Mobilität ein, und wenn diese wichtig ist, sollte man sich den Kauf eines Holzstativs sehr gut überlegen. Bei stationärem Einsatz hingegen ist das Preis-Leistungs-Verhältnis von guten Holzstativen unschlagbar.
Die meisten Stative haben zwar eine ausreichende Tragfähigkeit, aber unzureichende Torsionsstabilität, auch wenn die Mittelsäule ganz eingefahren oder gar keine Mittelsäule vorhanden ist. Der Grund sind zu schwache (zu dünne) Gelenke, mit denen die Beine an der oberen Platte befestigt sind. Um gute Torsionsstabilität zu erreichen, müßten die Beingelenke oben möglichst breit sein, was den Durchmesser der zusammengelegten Stativs vergrößert und wohl deswegen von den Herstellern nicht beachtet wird (man möchte eine kleines Packmaß haben).
Nachteilig wirkt sich bei Stativen auch eine große Zahl von Beinsegmenten aus. Besteht ein Bein aus 4 oder gar 5 Segmenten, so läßt sich zwar ein geringeres Packmaß erzielen, doch ändert sich das Gewicht kaum (es wird manchmal trotz dünnerer unterer Segmente wegen der zusätzlichen Klemmvorrichtungen sogar ein wenig schwerer), aber die Stabilität vermindert sich merklich gegenüber einem Stativ mit nur 3 oder gar 2 Segmenten.
Es gibt von Linhof, und damit komme ich zu dem oben erwähnten Alustativ, das ich einschränkungslos empfehlen kann, ein Alu-Doppelprofilstativ (Modell-Nr. 003317), dessen Beine nur zweiteilig sind (also mit relativ großem Packmaß) und dessen oberer Beinteil aus zwei nach oben auseinanderlaufenden Alu-U-Profilen besteht, die am Gelenk zur oberen Platte ein sehr breites und daher verwindungssteifes Gelenk ermöglichen. Dieses Stativ ist zwar zusammengelegt vergleichsweise sperrig, da der Durchmesser wegen der breiten Gelenke und die Gesamtlänge wegen des nur einfachen Beinauszugs groß sind, aber es ist für seine außerordentlich hohe Stabilität erstaunlich leicht. Beim Transportieren im Gelände, also ohne Fahrzeug, ist das Gewicht kritischer als das Volumen. Dieses Stativ hat zwar eine Mittelsäule, doch hat diese einen überdurchschnittlichen großen Durchmesser und wird in einem Rohr geführt, das unten mit dem Ende der Beinoberteile verstrebt ist und so die Stabilität erhöht und Schwingungen unterdrückt. Daher kann man hier die Mittelsäule bei Bedarf sogar ein wenig herausziehen. Erwähnenswert ist ferner, daß dieses Linhof-Doppelprofilstativ zwar kein Billigstativ ist, aber nur ungefähr 60 % dessen kostet, was man für ein ähnlich stabiles Gitzo-Carbonstativ zahlen muß.
Für geringe Gewichtsbelastung (meine Frau und ich haben beide Bandscheibenprobleme) benutze ich Gitzo-Carbonstative, die leider die teuersten auf dem Markt sind, aber auch die besten. In meinem Falle war neben dem Gewicht auch die Kompaktheit von Bedeutung, da in der Regel ich es bin, der über weite Strecken beide Stative trägt. Ich habe im Vergleich festgestellt, daß die neue Rohrwickeltechnik von Gitzo (Gitzo-Bezeichnung „Carbon 6x“) trotz dünnerer Wanddicke 1 mm mindestens dieselbe Stabilität und Dämpfung bietet wie die der vorherigen Modelle mit 1,5 mm Wanddicke. Meine Stative haben Mittelsäulen, da ich auf diese beim Fotografieren nicht verzichten möchte. Aber ich erwäge jetzt die Anschaffung eines Gitzo-Stativs (Modell GT 3530S) mit nur 3 statt 4 Beinsegmenten, dickeren Rohren (Ø oben 32 mm statt 28 mm) und ohne Mittelsäule speziell zur Spektivbeobachtung. Es wird knapp 500 g schwerer und zusammengelegt über 10 cm länger als mein gegenwärtiges Gitzo sein, aber einen erheblichen Stabilitätszuwachs bringen.
2. Neigekopfempfehlung
Für meine beiden leichten Gitzo-Carbonstative habe ich mir einerseits wegen der ohne Zwischenschaltung einer Adapterplatte passenden Schnellbefestigung am Swarovski ATS 65 (HD) die Swarovski-Neiger FH101 gekauft, was ein großer Fehler war. Diese Neiger sehen gut aus, sind in der Bedienung praktisch, aber leider nicht stabil genug. Da ich die Neiger auch in Verbindung mit Ferngläsern nutzen wollte, bemerkte ich auch noch einen weiteren großen Nachteil: Der Handgriffhebel läßt sich nicht tiefer nach unten stellen wie bei vielen anderen Neigern, sondern steckt in einer mit der Auflageplatte starr verbundenen Rohrhülse. Das hat zur Folge, daß man bei aufgesetztem Fernglas mit der rechten Wange am Hebel anstößt und nicht weit genug mit dem Kopf nach rechts kommt, um mit dem rechten Auge ins rechte Okular des Fernglases schauen zu können. Da dieser Neiger also gleich aus zwei Gründen für mich unbrauchbar ist, werde ich beide Neiger wieder (leider mit erheblichem Verlust) verkaufen.
Ich habe deshalb zahlreiche andere Neiger ähnlichen Gewichts ausprobiert und bisher als den stabilsten, bei dem sich auch noch der Hebel relativ zur Aufplageplatte nach Belieben verstellen läßt, den Manfrotto 701RC2 ermittelt. Er ist mit 734 g (auf meiner Digitalwaage) zwar um ca. 230 g schwerer als der Swarovski-Neiger (503 g ohne Adapterplatte), aber was nützt mir geringeres Gewicht bei mangelhafter Stabilität und fehlender Verwendbarkeit mit Ferngläsern? Ein weiterer Vorteil dieses Manfrotto-Neigers ist, daß man die Bfestigungsplatte um ±2 cm in Längsrichtung verschieben kann, um bei stark kopf- oder hecklastigen Spektiven den Schwerpunkt näher an die Neigungsachse zu bingen. Ein Nachteil ist, daß der Fuß des Swarovski-Spektivs nicht ohne Adapterplatte befestigt werden kann. Ich werde aber prüfen, ob man nicht am Fuß der Swarovski-Spektive seitlich einen „Schwalbenschwanz" fräsen kann, der dan genau in die Halterung des Manfrotte-Neigers paßt. Die Swaro-Spektive und -Neiger klemmen nämlich am Fuß vorn und hinten, alle anderen mir bekannten Schnellbefestigungen hingegen links und rechts. Und es scheint, als habe Swarovski den Fuß absichtlich seitlich nicht parallel begrenzt, sondern hinten breiter als vorn gesteltet, damit er nicht an anderen Schnellbefestigungen (z.B. von Gitzo, Manfrotto, Linhof, Cullmann, Novoflex usw.) paßt, sondern der Swaro-Spektiv-Besitzer auch den Swaro-Neiger kauft.
Aber selbst dann, wenn das Abfräsen problematisch werden sollte – ich weiß nicht, ob man den Fuß irgendwie zum Fräsen vom Spektiv abnehmen kann, ohne das Spektiv auseinandernehmen zu müssen – und mich dies zwingen würde, zusätzlich eine Manfrotto Adapterplatte zu benutzen, wird diese Kombination von Manfrotto 701RC2 und Gitzo GT3530S hoffentlich eine optimale Basis zur Spektivbeobachtung bringen.
Walter E. Schön