Sie ziehen einen nicht zulässigen Schluß und verwechseln etwas.
1. Daß Dachkant-Prismensysteme aus physikalischen Gründen nicht ganz die Schärfe zulassen wie Porro-Prismensysteme, war einmal richtig und gilt auch heute noch dann, wenn das Dachkantprisma keinen Phasenbelag hat. Mit einem korrekt ausgelegten und präzise gefertigten Phasenbelag ist der schärfemindernde Interferenzeffekt, der bei der Vereinigung der durch Pupillenteilung getrennten Lichtwege auftritt, so weit reduziert, daß er sich nicht mehr sichtbar auswirkt. Sie können bei den Spektiven (und ebenso auch bei Ferngläsern) der hier diskutierten Tophersteller, die alle die Phasenbelag-Technologie beherrschen, davon ausgehen, daß eventuell bei Vergleichen wie dem des Forumsteilnehmers „MP“ festgestellte Unterschiede in Schärfe bzw. Kontrast andere Ursachen als das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein einer Dachkante haben, nämlich Unterschiede in der optischen Qualität und evtl. auch Fertigungsschwankungen bei Objektiven und Okularen, manchmal vielleicht sogar auch aufgrund von unbemerkten Defekten (Sturz, Schlag mit Dejustage) oder Verschmutzung (z.B. durch Fingerabdrücke).
2. Das Bauernfeindprisma (in der bei Spektiven verwendeten Form, denn es gibt verschiedene Bauernfeinprismen) hat mit der Bildumkehrung absolut nichts zu tun, sondern dient nur der Umlenkung vom „geraden Einblick“ zum „Winkeleinblick“. Insofern ist das Bauernfeinprisma keine Alternative zum und kein Ersatz für ein Dachkant-Prismensystem, sondern es erfordert immer zusätzlich noch ein weiteres (a) Prismen- oder (b) Spiegelsystem oder eine (c) Zwischenabbildung nach dem Muster des terrestrischen Kepler-Fernrohrs zur Bilddrehung um 180°, also von kopfstehend seitenverkehrt zu aufrechtstehend und seitenrichtig. Deshalb kann ein Bauernfeinprisma gleichermaßen mit einem Dachkant-Umkehrprismensystem wie auch mit einem Porro-Umkehrprismensystem kombiniert sein.
3. Bei dem heutzutage am häufigsten eingesetzten Dachkant-Umkehrprismensystem nach Schmidt (auch Schmidt-Pechan-Prisma genannt, obwohl Herr Pechan mit der Erfindung dieses Prismensystems nichts zu tun hat) ist der eine Teil des zweiteiligen Systems, nämlich der ohne Dachkante, seiner Funktion ebenfalls ein Bauernfeindprima. Das Interessante daran ist, daß diese Hälfte des Schmidt-Systems folglich auch nichts anderes bewirkt als eine Bildumlenkung um 45°, die bei diesem Prismensystem ausschließlich für eine geradlinige Durchsicht nötig wird. Wenn man nun für ein Spektiv einen Schrägeinblick haben möchte, wird ein schlauer Konstrukteur nicht ein Bauernfeindprisma hinzufügen, wie er es bei einem Porrosystem tun müßte, sondern er wird die im Schmidt-Prismensystem enthaltene „Bauerfeind-Hälfte“ einfach weglassen und hat so genau denselben Effekt bei ganz erheblicher Gewichts-, Material- und Kosteneinsparung erzielt.
Sie haben also in diesem von Ihnen völlig zu Unrecht kritisierten schrägsichtigen Dachkantprisma (der „Dachkant-Hälfte“ eines Schmidt-Systems) die in Größe und Gewicht minimale und zudem erfreulicherweise nur einteilige Lösung gefunden, die gleichzeitig die Bilddrehung um 180° und den 45°-Schrägeinblick bewirkt. Schöner und eleganter geht es nicht! Da dies inzwischen mehr und mehr Spektivhersteller begriffen haben, stellen sie jetzt logischerweise nach und nach um. Gut so.
4. In diesem einteiligen System ist, wie sie leicht einsehen müßten, der Lichtweg durch Glas kürzer als in einem dreiteiligen aus zwei Porroprismen und nachgeschaltetem Bauernfeindprisma für den Winkeleinblick. Der kürzere Weg durch Glas reduziert ...
4.1 die Absorptionsverluste deutlich, und ...
4.2 die nur zwei Glas-Luft-Grenzflächen des Dachkantprismas im Gegensatz zu bis zu sechs Glas-Luft-Grenzflächen (je nachdem, ob die Prismenteile Luftabstand haben oder verkittet sind) der Porro-Bauernfeind-Kombination führen zu geringeren Transmissionsverlusten und Geisterbildern.
4.3 Ferner sind bei kürzerem Lichtweg durch einen dicken Glasblock die von diesem verursachten Aberrationen, vor allem Astigmatismus, Öffnungsfehler (sphär. Aberration) und Farbfehler (chrom. Aberration) deutlich geringer, die ja leider zusätzliche Korrektionsmaßnahmen für die Linsensysteme erfordern. Das erleichtert das optische Design beträchtlich und ermöglich mit weniger Aufwand gleich gute oder mit gleichem Aufwand bessere Fehlerkorrektion.
4.4 Schließlich hat das einteilige Dachkantprisma den weiteren Vorteil einer schlankeren Bauweise ohne seitlichen Versatz des Einblicks, wie er sich bei der üblichen Anordnung der Porroprismen ergibt (der aber auch bei Porro-Bauernfein-Kombinationen vermeidbar wäre, wenn der Achsversatz des Porrosystems vertikal statt horizontal erfolgen würde).
Es wird nichts nützen, wenn Leute ohne ausreichende Kenntnis der optischen Verhältnisse vehement für Porro die Werbetrommel rühren und unhaltbare Behauptungen über eine vermeintliche optische Überlegenheit aufstellen. Der Trend zum einteiligen Dachkantprisma bei Spektiven mit Winkeleinblick ist aus den oben dargelegten Gründen zwingend.
Walter E. Schön
PS.: Bei dieser Gelegenheit möchte ich Herrn Dipl.-Ing. Dr. Max P. und seinen Gehilfen „Tsetsefliege“ fragen, warum sie nichts zur Klärung des Irrtums von Herrn Kretschmer beigetragen haben. Wußten sie dazu nichts zu sagen, oder wollten sie vielleicht, daß ich es tue, damit sie mich danach wieder als den Herrn Oberlehrer oder konspirativen Adjutanten von Herrn Jülich beschimpfen können?