Sie irren mit der Erwartung, bei absolut gleicher Dezentrierung der Augenpupille im Fernglas mit kleinerer AP geringere Aberrationen zu sehen als im Fernglas mit größerer AP (natürlich sonst gleiche Eigenschaften vorausgesetzt).
Der Versuch eines plausiblen Modells für die Entstehung größerer Aberrationen bei nicht zur Fernglas-AP zentrierter Augenpupille von „konfokal“ ist sehr problematisch, weil er erstens zu weit von der Wirklichkeit entfernt und zweitens so beschrieben ist, daß man ihm schwer folgen kann. Ich denke, daß man alles viel einfacher darstellen kann:
Jeder weiß, wie wichtig es bei einem Fernglas ist, daß die optischen Achsen aller Einzellinsen exakt miteinander fluchten, d.h. alle diese Linsen eine einzige gemeinsame Achse haben. Aus dieser Position exzentrisch verschobene oder verkippte Linsen können schon bei sehr kleinen Abweichungen zu merklicher Bildverschlechterung führen. Wer Test in Fotozeitschriften verfolgt, weiß, daß dort im Zusammenhang mit MTF-Messungen oft auch die Zentrierung geprüft und bewertet wird (dabei läßt man das Objektiv während der Messung um seine Achse rotieren und beobachtet die periodischen Schwankungen der Kontrastwerte bei bestimmten Bildhöhen, also quasi die schwankende Bildqualität auf einem zur Bildmitte konzentrischen Kreis).
Wenn das Auge ins Okular schaut, so bilden die optischen Elemente des Auges im Idealfall eine auf derselben optischen Achse des Fernglases aufgereihte Fortsetzung des optischen Systems. Ist das Auge zur Idealposition (= Augen-Eintrittspupille in der Ebene der Fernglas-Austrittspupille und zu dieser zentriert) verschoben, so enstehen nicht anders als bei dezentrierten Linsen innerhalb des Fernglases verstärkte Abbildungsfehler. Wenn man weiß, daß die Fernglashersteller großen Aufwand betreiben, um die Linsenzentrierung auf 1/100 mm und manchmal noch genauer zu gewährleisten, kann man sich auch als optischer Laie gut vorstellen, daß eine Dezentrierung der Augenpupille um einige 1/10 mm oder gar mehr als 1 mm nicht folgenlos für die Aberrationen bleiben kann.
Es wundert mich, daß Ihnen („Ulli“) der jetzt von Herrn Jülich erwähnte Aspekt neu zu sein scheint. Sie sind doch schon sehr lange hier im Forum. Lesen Sie doch mal meine folgenden alten Beiträge aus den Jahren 2004 bis 2008 nach, um Ihr Informationsdefizit zu beseitigen:
Mein Beitrag vom Dezember 2004:
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www.juelich-bonn.com]
Mein Beitrag vom Januar 2008:
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www.juelich-bonn.com]
darin ein Hinweis zu Abatz 4.3 in meinem Beitrag vom August 2005:
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www.juelich-bonn.com]
sowie ein weiterer Hinweis auf Absatz 1 in meinem Beitrag vom Juni 2006:
[
www.juelich-bonn.com]
Es wird sicher manchen hier im Forum amüsieren, daß ich im Beitrag von 2004 noch erwartete, im Laufe des Jahres 2005 mit meinem Fernglasbuch fertig zu werden. Ich stand damals mit dem Buch noch am Anfang und hatte damals einen erheblich geringeren Umfang geplant (250 bis 300 Seiten). Später explodierte der Umfang förmlich (allein der ursprünglich nur als Anhang konzipierte Lexikonteil wird jetzt ca. 500 bis 600 Seiten erreichen und als eigener Band erscheinen), und außerdem mußte ich feststellen, daß einerseits der Aufwand erheblich größer wurde, als von mir erwartet, und daß andererseits meine berufliche Beanspruchung mir viel weniger Zeit für das Buchprojekt ließ, als ich gehofft hatte. Aber dies nur am Rande, es geht hier um die durch Dezentrierung der Augenpupillen verursachten oder verstärkten Aberrationen.
Walter E. Schön