... daß Sie irrten, wenn Sie bei gleicher absoluter Dezentrierung (also z.B. um jeweils 0,6 mm) beim Fernglas mit größerer AP geringere Aberrationen erwarteten als beim Fernglas kleinerer AP. Diese Aussage war schon an Sie gerichtet, aber ich habe leider beim Schreiben „kleinere“ und „größere“ AP versehentlich vertauscht.
Anders und vielleicht besser verständlich ausgedrückt: Sie können davon ausgehen, daß sich bei gleich starker Dezentrierung ungeachtet der AP-Größe des Fernglases auch eine gleich starke Bildverschlechterung durch stärkere Aberrationen ergibt, solange Sie in beiden Fällen mit der Augenpupille noch vollständig innerhalb der jeweiligen AP bleiben. Bei größer werdender Dezentrierung werden Sie diese letztgenannte Voraussetzung zuerst beim Fernglas mit der kleineren AP verletzen, also mit der Augenpupille schon teilweise außerhalb der AP liegen, und da kommt dann zusätzlich eine partielle Bildabdunkelung hinzu. Diese bemerkt man jedoch (auch als Anfänger) schnell und korrigiert dann die Augenposition nach, während das bei Fernglas mit der größeren AP nicht der Fall ist und sich dann noch stärkere Aberrationen bemerkbar machen. So gesehen, bringt dann doch die kleinere AP einen wichtigen Vorteil.
Ob demgegenüber die anderen Vorteile der größeren AP (bessere Dämmerungs- und Nachttauglichkeit, keine partielle oder gar vollständige Bildabdunkelung bei starkem Wackeln, z.B. bei Beobachtung von einem Schiff aus) überwiegen oder nicht, hängt vom jeweiligen Einsatz und auch von den individuellen Eigenschaften und Vorlieben des Beobachters ab.
Allen, die meiner Argumentation nicht folgen wollen oder können, schlage ich folgendes Experiment vor: Nehmen Sie ein Fernglas mit möglichst großer AP, z.B. ein 8x50, und basteln Sie sich aus schwarzem Karton zwei Maskenpaare in Form von Kreisscheiben, die die vollständige Objektivöffnung abdecken und in einem Falle zentrische und im anderen exzentrische Löcher von jeweils 20 mm Durchmesser haben. Setzen Sie nun das Maskenpaar mit den zentrischen Löchern vor die Objektive. Sie sehen dann durch Fernglas unter Idealbedingungen, weil Sie gezwungen sind, die Knickbrücke ziemlich genau auf Ihre Augenweite einzustellen und das Fernglas so vor die Augen zu halten, daß beide Pupillen gut zur jeweiligen AP zentriert sind. Sie werden die beste Schärfe und die geringsten Farbsäume sehen. Dann ersetzen Sie die beiden Masken durch die mit den exzentrischen Löchern, und zwar so, daß beide Löcher nach genau der gleichen Richtung weisen (also z.B. beide nach links oder beide nach oben). Das führt dazu, daß das Fernglas nun genauso große AP-Scheibchen und diese auch in gleichem Abstand voneinander hat wie zuvor, aber diese Scheibchen nun zur optischen Achse des Okulars exzentrisch liegt. Beim Durchschauen müssen Sie jetzt keine Korrektur für ihre Augenweite machen (da ja der Abstand zwischen beiden APs der gleiche geblieben ist). Nun dürften Sie je nach Qualität der Fernglases eine mehr oder weniger große Bildverschlechterung erkennen, also eine Reduzierung der Schärfe und verstärkte Farbsäume. Wegen der Dezentrierung ist das optische Gesamtsystem von Fernglas und Auge nicht mehr rotationssymmetrisch, und deshalb sollten Sie bei diesem Qualitätsvergleich die Randschärfe nicht nur an einer Stelle, sondern rundum am Rand entlang vergeichen. Die Rand(un)schärfe wird nämlich wegen dieser Asymmetrie rundum nicht gleichmäßig sein, sondern variieren.
Walter E. Schön