Wenn es wirklich so ist, daß die Probanden die Ferngläser nach Mittenauflösung unterscheiden können, und das auch noch freihändig, dann widerspräche das allen bisherigen Erkenntnissen zum Thema Fernglasbeobachtung und deren Leistungsgrenzen. Das würde bedeuten, daß wir trotz der widrigen Umstände in der Lage wären, noch unter der allgemein anerkannten Auflösungsgrenze zu hantieren. Wenn das wirklich stimmt, dann wäre das höchst interessantes Neuland für die visuelle Optik. Wirklich wundern würde mich das übrigens nicht, denn viele Effekte zur visuellen Wahrnehmung werden immer wieder unter den Teppich gekehrt, man vereinfacht halt gern und macht das Auge schlicht zu einem nachgeschalteten optischen Instrument.
Ich bin trotzdem skeptisch. Meine eigene Erfahrung mit solchen Lesetests hat mich gelehrt, daß sie ausgesprochen knifflig sind. Es gibt so einen Übergangsbereich, eine Grauzone, in der das Lesen mit viel Mühe und Konzentration noch möglich ist. Tritt man etwas zurück, dann ist es mit einem Extra Aufwand noch immer möglich zu lesen. Das ist ein typischer Kandidat für einen Test, bei dem man viel guten Willen zum Erfolg braucht. Wird der Proband sich mit einem teuren Zeiss nicht vielleicht ein bischen mehr Mühe geben als mit einem weniger bekannten xyz-Glas? Kommt bei einem solchen Test nicht meist genau das raus, was man von ihm erwartet? Das könnte wohl nur ein Blindtest entscheiden, bei dem die Marken der Ferngläser maskiert sind und die Testpersonen völlig unvoreingenommen an die Arbeit gehen. Besser wäre ein eigenes Testfernglas, bei dem man die Mittenauflösung durchstimmen kann.
Viele Grüße,
Holger Merlitz