Ich versuche mal eine vergleichende Abschätzung. Wenn ich das recht verstanden habe, gelten die bisher genannten gemessenen Winkelsekunden für die Auflösung der Fernglasobjektive nach dem Umkehrsatz, also im Zwischenbild. Nochmal zusammengefasst:
50er Objektiv Zeiss Porro 3,1 "
42er Objektiv Zeiss Victory 4,1"
42er Objektiv Mittelklasse ca. 5 - 6"
42er Objektiv Vixen Foresta ca. 7"
Das Zwischenbild wird durch das vergrößernde Okular als Lupe beobachtet, mit dessen Vergrößerung multipliziert man die korrespondierenden Werte erhält, unter denen das Auge diese Winkel dann tatsächlich zu sehen bekommt. Kalkuliert man dabei noch zwei oder drei Prozentpünktchen Verlust durch das Okular ein ergäbe das etwa:
10x50 Zeiss Oberkochen 32"
10x42 Zeiss Victory 42"
10x42 Mittelklasse ca. 50-60"
8x42 Vixen Foresta ca. 57"
und auf Basis dieser Werte extrapoliert:
7x50, Premium 23"
7x42 Premium 29"
8x42 Premium 34"
8x32 Premium 43"
Ganz grob zusammengefasst hieße das also für gängige Fernglasgrößen zwischen 7- und 10-fach:
Premiumgläser schaffen 23 - 43" Auflösung vor dem Auge,
Mittelklassegläser nur 50 - 60"
Die Auflösung des Auges unter optimalen Bedingungen wird demgegenüber mit durchschnittlich nur 60" sicherer Erkennungsleistung angegeben. Das ist aber nicht mal die halbe Wahrheit. Die bestmögliche Erkennungsleistung von Sinnesrezeptoren, nicht nur beim Auge, zeigt keine scharfe ja/nein Grenze, sondern verläuft in einer breiten unscharfen Zone, in der die Reizantworten der Rezeptoren nur noch mehr oder weniger gut mit einem immer kleiner werdenden Signalreiz korrelieren. Die Rezeptoren "rauschen" in dieser Zone zunehmend um eine sigmoidale Mittelkurve herum, was wir zwar nicht bewußt bemerken, was aber von der Signalverarbeitung für die Erkennung trotzdem weiter ausgenutzt wird: sie macht mit den unsicheren Daten in dieser Zone Statistik und schärft mit den Ergebnissen nachträglich die höherliegenden bewußt empfundenen Grenzen. Die Statistik im Gehirn macht die Dinge für unsere Wahrnehmung auf diese Weise eindeutiger und sicherer als sie sind, die unsichere Zone wird zwar ausgewertet, aber von der bewussten Wahrnehmung abgekappt.
Wenn man in der Sinnesphysiologie bis an die tatsächlichen Erkennungsgrenzen unten in der unsicheren Zone detektieren will, muß man raffiniert testen, mit sog. forced-choice-Methoden. Im Unterschied zur klassischen Herangehensweise, bei der man nur 100% richtige Antworten als positive Erkennung gelten liess, testen die modernen forced-choice-Verfahren statistisch bis herab an die 50% Schwelle der Reizantwortkurve, bis an die Grenze zur Zufallsverteilung. Für den Probanden heißt das, dass er sich bemühen muß nach bestem Bauchgefühl zu raten, auch und gerade dann, wenn er selbst bewußt längst keine Unterschiede mehr zu erkennen glaubt. Es ist sehr wichtig das der Testperson vorher klarzumachen, damit sie nicht aufgibt und stattdessen unmotiviert herumrät. Gefragt ist in jedem Durchgang konzentriertes Raten, der beste "emotional guess", und gefragt sind viele Durchgänge. Wertet man danach die motiviert geratenen Antworten aus, zeigt sich die deutlich bessere Erkennungsleistung, als sie die Testperson selbst bewußt erlebt hat.
Ein Beispiel: Im klassischen Lesetest mit den Zahlentafeln beim Augenarzt zählt nur die 100% Erkennung. Wenn Sie die unterste Reihe noch richtig lesen können attestiert man Ihnen "160%" oder einen Visus von 1,6 entsprechend einer Winkelauflösung von 38". Wenn Sie dagegen mit demselben Auge einen forced-choice Test machen der die 50%-Marke als Erkennungsschwelle benutzt (zum selber ausprobieren googlen Sie nach "Michael Bach Freiburg visual acuity" und "differentielle Wahrnehmbarkeitsschwelle") kommen dabei 30" Auflösung heraus. Für ein durchschnittliches Auge liegt die statistisch signifikante Auflösungsgrenze demnach nicht bei 60" sondern bei 50". Für ein junges Auge liegt sie sogar bei nur 30". Und für ein junges überdurchschnittliches Auge sind schon Werte bis zu 24" gemessen worden. Unberücksichtigt ist, dass binokular, mit beiden Augen, die Erkennungsleistung vielleicht nochmal um bis zu 20% tiefer liegen sollte. (Und für die Linienauflösung, die höher liegt als die Punktauflösung - die Zeisstafel soll Schraffuren haben! - sind im besten Fall sogar schon 18" gemessen worden, der Wert, der dem geringsten Abstand der Rezeptoren auf der Netzhaut entspricht.)
Zusammengefasst ergäben sich dann für binokulares Sehen folgende statistisch noch signifkiante Erkennungsleistungen :
durchschnittliche Augen binokular ca. 40"
junge Augen binokular ca. 24"
junge überdurchschnittliche Augen binokular ca. 20"
prinzipielles Limit bei Linienauflösung ca. 18"
Verglichen mit den 23"-43" von Premiumgläsern oder 50"-60" von Mittelklassemodellen würden diese Werte Herrn Jülichs experimentelle Befunde gut stützen. Und junge Augen sollten auch bei Premiummodellen mit guten Chancen noch etwas differnenzieren können.