Eine gute Zusammenstellung, und interessante These, vielen Dank! Ich habe ein paar Einwände, aber der Reihe nach.
1)
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Ganz grob zusammengefasst hieße das also für gängige Fernglasgrößen zwischen 7- und 10-fach:
Premiumgläser schaffen 23 - 43" Auflösung vor dem Auge,
Mittelklassegläser nur 50 - 60"
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Nehmen wir das mal als Arbeitshypothese an. Ich weiß nicht, ob z.B. Kowa hier nicht widersprechen würde, wenn man ihnen nur 50 - 60" vor dem Auge zugestehen würde, aber ohne offizielle Daten müssen wir halt etwas annehmen.
2)
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Wenn Sie dagegen mit demselben Auge einen forced-choice Test machen der die 50%-Marke als Erkennungsschwelle benutzt ... kommen dabei 30" Auflösung heraus. Für ein durchschnittliches Auge liegt die statistisch signifikante Auflösungsgrenze demnach nicht bei 60" sondern bei 50". Für ein junges Auge liegt sie sogar bei nur 30". Und für ein junges überdurchschnittliches Auge sind schon Werte bis zu 24" gemessen worden.
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Hier habe ich zwei Einwände:
a) In diesen "Bauchgefühl-Rate" Tests hat man aber sehr simple Fragestellungen vor sich: Oben oder unten oder links oder rechts, bzw. eine Schraffur die entweder waagerecht oder senkrecht verläuft. Man erkennt nicht, muß raten, und wenn man nach sehr vielen Versuchen mehr als 50% richtig geraten hat, gilt das Muster als erkannt. Beim Jülich-Test vergleicht man aber verschiedene Modelle, man schaut durch, legt es ab, nimmt das nächste und vergleicht dann aus der Erinnerung. Das ist ja deutlich anspruchsvoller und komplexer als eine oben-unten Entscheidung, die in einem einzigen Arbeitsvorgang getroffen wird.
b) Angenommen, diese "forced-choice" Methodologie könnte hier dennoch als Erklärungsgrundlage herangezogen werden. Herr Jülich sagte jedoch, die Probanden könnten die Ferngläser reproduzierbar einordnen. Dann wäre man aber weit von der 50% Schwelle entfernt, und die anzunehmenden Auflösungswerte entsprechend schlechter.
3)
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Und für die Linienauflösung, die höher liegt als die Punktauflösung - die Zeisstafel soll Schraffuren haben! - sind im besten Fall sogar schon 18" gemessen worden, der Wert, der dem geringsten Abstand der Rezeptoren auf der Netzhaut entspricht.
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Es ist richtig, daß man für Linienstrukturen noch etwas höhere Auflösungen erreichen kann, und binokular sowieso. Aber, wie gesagt, diese Tests an der 50% Wahrnehmungsschwelle laufen ganz anders ab als der Vergleich zweier Fernglasbilder aus der Erinnerung.
Hinzu kommt, daß man beim freihändigen Beobachten bereits bei 8x Vergrößerung im Mittel um 30% schlechter auflöst als mit einem montierten Fernglas (dies sind ebenfalls Resultate aus Lesetests). Bei höheren Vergrößerungen nimmt die Leistung weiter ab. Man kann also nicht davon ausgehen, daß die unter idealen Versuchsbedingungen an der 50% Schwelle erreichten Auflösungswerte auch nur annähernd erreicht werden können.
Also bleibe ich skeptisch. Ich will nichts ausschließen, aber ich vermute doch, daß hier auch andere psychologische Effekte (Fernglaspreis) eine gewichtige Rolle spielen :-)
Viele Grüße,
Holger Merlitz