Leider antworte ich mit Verspätung, weil ich erst vor wenigen Stunden aus dem Urlaub zurückgekommen bin und Ihren verunglimpfenden Beitrag erst heute lesen kann.
Ihre Händler redet Unsinn, und Sie fallen darauf herein.
In einem Forum, das Ferngläser (der oberen und obersten Qualitätsklasse) zum Thema hat, ist es nur selbstverständlich, daß strenge Maßstäbe angelegt werden, wenn von Forumsteilnehmern mit großer Erfahrung und Fachkenntnis Urteile gefällt werden. Da werden zwangsläufig manche Schwächen beanstandet, die ein 08/15-Fernglasnutzer gar nicht bemerkt, sogar oft auch solche, die er selbst nach Lesen der Kritik noch nicht zu bemerken in der Lage ist. Außerdem sind die Ansprüche verschiedener Menschen verschieden – was der eine noch wichtig nimmt, kann dem anderen schon als „Haarspalterei“ erscheinen, erst recht dann, wenn er in Sachen Fernglas ein Anfänger ist.
Da ich in diesem Forum mehrfach an Canon-Ferngläsern Kritik geübt hatte und somit sicher einer der Forumsteilnehmer bin, die Ihr Händler für einen Haarspalter und einen Canon-Hasser hält, und weil alle ihre zitierte Kritik aus meinen Beiträgen stammen könnte, will ich darauf antworten:
In diesem Forum finden Sie von vielen Teilnehmern und von mir zu Canon-Ferngläsern sowohl positive als auch negative Aussagen, und zwar deshalb, weil Canon-Ferngläser sowohl positive als als negative Eigenschaften haben. Ich habe hier mehrfach geschrieben (was Ihr Händler und Sie wohl übersehen haben), daß das 10x42 L IS WP, das eigentlich nur ein 10x37 L IS WP ist, in der Bildqualität eines der besten gegenwärtig käuflichen Ferngläser ist, bei der von mir persönlich vorgenommenen Gewichtung der einzelnen Qualitätsparameter (die bei Ihnen und manchen anderen Fernglasanwendern anders aussehen könnte) sogar das derzeit beste Fernglas. Aber ich habe auch geschrieben, daß Canon den potentiellen Käufer belügt, wenn dieses Fernglas als ein „10x42“ bezeichnet und beworben wird, weil seine effektive Öffnung (nicht der Durchmesser des vorderen Schutzglases und der Objektivlinsen) nur 37 mm beträgt. Dazu stehe ich nach wie vor, und Canon macht sich leider nichts daraus und deshalb noch mehr „schuldig“, denn es wurde trotz der öffentlichen Kritik, die Canon nicht verborgen geblieben ist (ich habe sogar mit deutschen Canon-Mitarbeitern deswegen telefoniert!), keine Berichtigung vorgenommen. Wenn Ihr Händler zum Gegenbeweis nicht mehr tut, als den Durchmesser des Frontglases auszumessen, so beweist er damit nur, daß er mangelhafte optische Kenntnisse hat. Er sollte doch mal bitte die Größe der Austrittspupille messen, die Canon nach wie vor im Internet und auf Prospekten mit 4,2 mm angibt, die aber tatsächlich nur 3,7 mm beträgt, und dann sollte er diesen AP-Durchmesser mit der Vergrößerung multiplizieren, um den effektiven Öffnungsdurchmesser zu erhalten.
Sie sehen also, daß ich zu diesem Canon-Fernglas sowohl sehr Positives als auch Negatives schreibe. Was Sie daran als „nicht neutral“ auszusetzen haben, kann ich nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Neutralität kann erst dann zustandekommen, wenn neben dem Positiven auch das Negative genannt wird. Wie Sie das als „vergiftete Komplimente“ bezeichnen können, verstehe ich ebenfalls nicht. Hätte ich denn die falsche Öffnungs- und AP-Größenangabe verschweigen sollen, damit mein „Kompliment“ frei von „Gift“ bleibt? Das wäre Ihrem Händler vielleicht recht gewesen, damit er mit dem Kompliment hausieren gehen und das Gift ihm keinen Kunden vergällen kann. Aber es wäre unaufrichtig gewesen, und darum mußte ich neben dem Positiven auch das Negative schreiben.
Was das 12x36 IS II und 10x30 IS betrifft, so habe ich von diesen Modellen ebenfalls mehrfach geschrieben, daß sie für ihren Preis eine ausgezeichnete Abbildungsqualität bieten. Auch davon habe ich keinen Deut zurückzunehmen. Aber ich habe, damit mein Urteil nicht einseitig, weil blind für die Nachteile wird, mußte ich auch u.a. schreiben, daß die Nahgrenze sehr weit und bei allen von mir inzwischen geprüften Exemplaren sogar um 1 bis 2 m weiter als vom Hersteller angegeben war, daß diese Modelle wegen des Luftspalts rund um die beim Fokussieren axial verschobenen Objektive (die dann in der Tat wie eine Luftpumpe arbeiten und Luft ausblasen oder ansaugen) weder wasser- noch staubdicht sind, daß die Gummi-Stülpaugenmuscheln nicht mehr zeitgemäß und speziell dann höchst unpraktisch sind, wenn sowohl Brillen- als auch Nicht-Brillenträger gemeinsam und im Wechsel ein solches Fernglas benutzen, und schließlich auch, daß die optischen Bildstabilisierungselemente wegen ihrer empfindlichen Lagerung keine kräftigen Stöße vertragen, also gegenüber Vibrationen, Fall usw. wenig (eigentlich gar nicht) robust sind. Was ist daran so frevelhaft, neben den positiven Eigenschaften auch die negativen zu nennen? Hier im Forum suchen viele Leser Rat, ob sie sich dieses oder jenes Fernglas kaufen sollen. Für eine richtige Entscheidung muß man sowohl die Stärken als auch die Schwächen kennen, um dann je nach Anwendung (z.B. nur als Schön-Wetter-Glas, als Allzweck-Fernglas, zur Safari auch auf staubigem Feld oder durch Wüstensand, auf dem Boot, wo Wasserspritzer unvermeidbar sind) und persönlichen Präferenzen entscheiden zu können, ob oder wie gut ein bestimmtes Modell geeignet ist.
Sie nennen auch Kritik an schlechter Transmission als einen hier im Forum (auch und besonders heftig von mir) begangenen Frevel am guten Ruf von Canon. Stimmt, die Ferngläser 15x50 IS und 18x50 IS hatten und haben nach wie vor eine für Ferngläser dieser Preisklasse viel zu schlechte Transmission. Die Objektivöffnung 50 mm dieser beiden Modelle ist für viele Käufer deshalb ein wesentliches Kriterium beim Kauf gewesen, weil sie damit ein besonders helles Bild und gute Dämmerungs- und Nachttauglichkeit verknüpft haben, leider aber irrtümlich. Denn bei Tag, wenn die Augenpupille kleiner als die Austrittspupille ist, hilft die große Öffnung überhaupt nichts, um die schlechte Transmission wettzumachen; jedes 8x20- oder 10x25-Taschenfernglas guter Transmission liefert dann ein merklich helleres Bild. Und in der Dämmerung reicht der Vorsprung von 50 mm Öffnung vor 42 mm Öffnung wegen des Stiles-Crawford-Effekts nicht aus, um das Manko der schlechten Transmission auszugleichen. Erst bei Nacht (wenn die Augen keine Farben mehr wahrnehmen) kämen diese Canon-Modelle mit 50 mm Öffnung vergleichbaren Modellen mit nur 42 mm Öffnung und zeitgemäßer guter Transmission eventuell um eine Winzigkeit zuvor. Ist der Hinweis auf solche Wahrheiten verwerflich?
Ich darf nun noch eine weitere Information hinzufügen, da Sie mit dem Satz „Ich habe sogar 3 Ferngläser von Canon und alle haben einen Defekt“ wiederum auf mich zeigen: Weil der Defekt bei zwei dieser drei Ferngläser von mir nicht hinnehmbar war, habe ich beide (12x36 IS II und 10x42 L IS WP alias 10x37 L IS WP) am 8.6.2008, also vor fast genau drei Wochen an den Canon-Service zur Reparatur geschickt und im Begleitschreiben gebeten, die reparierten Ferngläser nicht vor Ende Juni an mich zurückzuschicken, da ich bis dahin verreist sein werde. Canon hat, obwohl beide Fehler (beim 12x36 IS II eine um fast 3 dpt unsymmetrische Justierung und beim 10x42 L IS WP alias 10x37 L IS WP ein vertikales Springen des Bildes bei jedem Fokussierungs-Richtungswechsel) von Anfang an bestanden, keine Kulanz walten lassen, sondern einen Kostenvoranschlag über 190,04 Euro geschickt (was bei Leica, Swarovski oder Zeiss mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht geschehen wäre) und danach am 25.6. ein heute von mir vorgefundenes Schreiben geschickt, daß die Reparatur länger dauern werde, weil in beiden Fällen die benötigten Ersatzteile „zur Zeit nicht verfügbar“ sind (sondern, wie ich vermute, wohl erst aus Japan angefordert werden müssen). Diese Aussage ist von mir im Falle des 12x36 IS II nicht nachvollziehbar, da es hier nur um eine Justage eines Okulars geht, wofür nach meiner Einschätzung keine Ersatzteile nötig sind. Aber vielleicht hat man nach der werkseitigen Justage verklebt, so daß beim Lösen der Verklebung etwas beschädigt wurde. In diesem Falle einer Verklebung wäre absolut evident gewesen, daß der Fehler schon im Neuzustand vorhanden war, aber auch das hat Canon nicht davon abgehalten, im Kostenvoranschlag auch diese Reparatur zu berechnen.
Mit diesem letzten Absatz habe ich nach Ihrer Auffassung sicher wieder „Gift“ versprüht. Aber ich bemühe mich in allen meinen Beiträgen darum, so objektiv, wahrheitgetreu und vollständig zu informieren, wie es mir möglich ist. Denn ich will nicht nur mit Lob angesichts der exzellenten Bildqualität Leser dieses Forums zum Kauf von Canon-IS-Ferngläsern animieren, sondern sie auch davor warnen, daß sie bei anderen Eigenschaften, die für den praktischen Nutzen ebenfalls sehr wichtig sind, manche Abstriche machen oder Risiken eingehen müssen. Jeder Leser kann sich dann aber selbst entscheiden, ob die hohe Bildqualität der Grund zum Kauf oder eine falsch deklarierte effektive Öffnung und Austrittspupille, eine hohe Stoßempfindlichkeit, fehlende wasser- und staubdichtheit, eine zu weite Nahgrenze oder eine mangelhafte Transmission des einen oder anderen Canon-Modells für seine Anwendung nicht zum K.O.-Kriterium wird.
Wenn Ihr Händler seriös sein will, sollte er nicht vor diesem Forum warnen, sondern darauf hinweisen, um seinen Kunden Fehlentscheidungen zu ersparen.
Zur vollen Wahrheit gehören die Kenntnis beider Seiten der Medaille, nicht nur derjenigen Seite, die Sie zum Schmähruf „vergiftete Komplimente“ veranlaßt haben, und ebenso nicht der anderen Seite, die Sie im umgekehrter Weise zu einem ebenso fatalen Fehlurteil „bagatellisierte Mängel“ führen könnte. Ich hoffe, Sie mit dieser „Aufklärung“ davon abhalten kann, Ihrem kritikfeindlichen Händler blind zu folgen.
Walter E. Schön