Zitat: „Der VKpreis richtet sich NIE nach irgendwelchen "Herstellungskosten", ... sondern einzig und alleine nach der Nachfrage.”
Kommentar: Nicht die Nachfrage, sondern das Verhältnis zwischen Nachfrage und Angebot ist ein wesentlicher preisbestimmender Faktor, bei manchen Produkten sogar der wesentlichste, aber es gibt noch weitere, zu denen auch die Herstellungskosten zählen. „NIE“ und „einzig und allein“ in Ihrer Behauptung sind definitiv falsch.
Soviel ich weiß, ist die Nachfrage nach Cembali sehr gering, die nach Büroklammern jedoch sehr groß. Nach Ihrer Behauptung sollten also Cembali billiger zu haben sein als Büroklammern. Falls das stimmt, möchte ich bei Ihnen ein schönes Cempabo bestellen - ich werde dann bestimmt auch ganz fleißig üben, um darauf irgendwann einmal schön spielen zu können.
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Zitat: „Bspl. 1: das Nikon 8x30 EII, das vor 2 Jahren noch zu einem zivilen (d.h. sehr niedrigen!) Preis von unter 300€ zu haben war, wurde plötzlich teuer ohne erkennbaren Grund!“
Kommentar:: Auch diese Behauptung ist falsch. Ersten waren Nikon-Ferngläser in den USA schon immer etwas günstiger als bei uns. Zweitens war der konkrete Fall, auf den Sie sich beziehen, etwas anders und vor allem letztlich eine Luftblase: Im September 2007, also vor etwas mehr als zwei Jahren, hatte ein amerikanischer Fotohändler das Nikon 8x30 E II zu einem Preis unter 300 US-$ im Internet angeboten. Das war aber ein Sonderfall, denn kein anderer Ihnen und mir bekannter Händler in den USA oder anderswo hatte ähnliche Angebote; vielmehr lag der Preis bei anderen Händlern über 400 $ bis ca. 600 $. Aber noch schlimmer, dieser Sonderfall war ein Bluff! Denn dieser Händler hatte zwar auf seiner Angebotsseite stehen "in stock" (auf Lager), aber das stimmte nicht - er konnte das Fernglas nicht liefern, zu dieser Zeit und auch die Monate danach. Es handelte sich also um einen Phantompreis, ein Lockvogelangebot vielleicht, aber um keinen realen Preis, zu dem man dieses Fernglas tatsächlich hätte erwerben können. Ferner wären selbst dann, wenn man es hätte kaufen können, erstens der damals gegenüber heute höhere Wechselkurs (etwa 1 Euro gleich 0,97 $ bei Kreditkartenzahlung), die nicht unerheblichen Versandkosten, 4,2% Zoll auf die Summe von Preis plus Versandkosten und nochmals 19% MwSt. auf diesen Gesamtbetrag zu berücksichtigen. Somit käme man schließlich auf ca. 405 Euro. Wenn man die allgemeine Teuerung der letzten beiden Jahre auch noch bedenkt, läge selbst dieser „virtuelle“, weil nie wirklich existierende Preis gar nicht weit unter den günstigsten heutigen Angeboten.
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Zitat: „Bspl. 2 im schönen, warmen Baden gibt es in Müllheim-Niederweiler ein 1500m2 grosses Anwesen mit einem schnuckeligen Häuschen aus der ersten Hälfte des XVIII. Jh. (immerhin 130m2 Wohnfläche) und drei Anbauten für neunzig tausend Euronen ("VB") zu verkaufen (siehe im Internet). Die Gemeinden sind arm, sehr arm, und brauchen Geld, die Käufer sind rar, sehr rar.“
Kommentar: Solche Fälle von Notverkauf oder Abverkauf von Ladenhütern gibt es zwar immer wieder, sie sind aber nicht repräsentativ für die reguläre Preisgestaltung. Jeder, der ein Produkt herstellt, um es zu verkaufen und davon zu leben, MUSS zunächst bei seiner Preiskalkulation von seinen eigenen Gestehungskosten ausgehen. Denn wenn sein Verkaufspreis darunter liegt, macht er Verlust und ist irgendwann pleite. Allein schon deshalb ist es völliger Unsinn zu behaupten, daß sich der Verkaufspreis NIE nach irgendwelchen Herstellungskosten richte. Lediglich dann, wenn es darum geht, wie hoch der Aufschlag auf die Gestehungskosten sind (damit meine ich nicht nur Materialkosten, sondern auch Löhne, Mieten oder sonstige Gebäudekosten, Anschaffung und Erhalt der Produktionsmittel wie Werkzeuge und Maschinen, Lagerkosten, Transportkosten, Werbungskosten, Kreditzinsen, Rücklagen für Garantieleistungen usw.), beginnen Angebot und Nachfrage eine Rolle zu spielen. Aber der dort erwartete Spielraum ist geringer, als Sie denken, wenn Sie nicht der einzige Produzent einer solchen Ware sind, sondern Mitbewerber haben. Wenn die besser oder billiger sind, nützt Ihnen auch hohe Nachfrage wenig. Wenn Sie mit Ihren Aufschlägen übertreiben, weil ausreichende Konkurrenz fehlt, wird sich schnell eine entwickeln und die Preise drücken.
Wie kalkulieren Sie denn Ihre Cembalo-Preise? Kann man, wenn die Nachfrage gering ist, auch eines für 50 Euro bekommen? Und muß man eventuell 250.000 Euro dafür bezahlen, wenn die Nachfrage sehr groß wird? Ich meine mit „sehr groß“ natürlich nicht eine absolute Verknappung in Verbindung mit einer bei Nicht-Kauf für den Kaufwilligen eintretenden lebensbedrohlichen Situation, sondern normale Verhältnisse. Daß es bisweilen und vor allem im Bereich Schmuck, Uhren, repräsentativer Autos und anderer Statussymbole Preisauswüchse gibt, die keinen Bezug mehr zum realen Wert des Gegenstandes haben, weiß ich wohl, doch ist das noch kein Beweis für Ihre gewagte These, die Sie doch als allgemeingültig verstehen.
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Zitat: „ich habe eine Woche nach Neujahr ein Kapaun von 4,2 Kg für 9,99€ gekauft, (statt 39,99) welchem in seinem mindestens halbjährigen Leben für mindestens 20€ Getreide verfuttert wurde.“
Kommentar: Wie ich schon weiter oben sagte, sind Notfälle und Ladenhüter nicht der Normalfall. Nach Neujahr war Ihr Kapaun wohl einer zuviel nach den Feiertags-Einkäufen, der deshalb liegenblieb und bei seinem vorhersehbaren Verfalldatum entweder schnell zum Sonderpreis verkauft werden mußte oder nur noch für die Abfalltonne gut gewesen wäre (und dann nicht einmal die 9,99 Euro gebracht hätte, die Sie bezahlt haben).
Ich hoffe, daß der Kapaun noch einwandfrei war, als Sie ihn verspeist haben. Daß der Kauf für Sie ein Schnäppchen war, gönne ich Ihnen.
Walter E. Schön