Dieser Vorschlag entspricht etwa dem, ein schönes Stück T-Bone-Steak nicht so auf den Grill zu legen, wie es ist (gern nach Wunsch gewürzt), sondern erst Hackfleisch daraus zu machen und dieses dann zu Steaks zu formen und zu grillen.
Wenn ich ein Bild, das direkt beobachtbar ist, erst mittels eines Sensors in Pixel zerhacke, dabei erheblichen Auflösungsverlust, Artefakte, große Farbverfälschungen und eine gewaltige Dynamikeinschränkung von ca. 20 Blendenstufen auf nur noch etwa 10, also etwa um den Faktor ca. 1000 (nämlich 2ˆ10) in Kauf nehme, dann mühsam versuche, die Artefakte erneut auslösungsreduzierend zu unterdrücken und das hinzugekommene Rauschen etwas einzudämmen, mit Unscharfmaskieren den großen Schärfeverlust mühsam zu kaschieren und dabei erneut Artefakte (Pseudoschärfe durch verstärkte Konturen) hinzuzufügen sowie mittels Farbprofilen die Farben in einem auf weniger als die Hälfte reduzierten Farbraum so hinzubiegen, daß man sie „den Umständen entsprechend“ für halbwegs natürlich halten kann, dann das nunmehr qualitativ stark eingeschränkte Bild auf einem TFT-Monitor mit ebenfalls unzureichendem Farbraum ausgebe, der nochmals die Dynamik einschränkt und wegen anderer Pixelauflösung durch Interferenz mit der Sensorstruktur zu Moiré führt und nach dem heutigen Stand der Technik noch auf Jahre hinaus nur einen Bruchteil der Auflösung des reellen optischen Zwischenbildes bieten kann, dann weiß ich garantiert, daß dieses Endergebnis meilenweit von dem entfernt ist, was ich bei direkter Betrachtung des reellen Zwischenbildes gesehen hätte.
Nun zur Größe des Sensors. Natürlich könnte man, um Objektive und Okulare herkömmlicher Ferngläser für solche Digitalspielzeuge nutzen zu können, dafür passend große Sensoren entwickeln. Doch wäre es sicher wirtschaftlich sinnvoller, auf existierende Sensoren zurückzugreifen, weil die Modifikation der Objektive und Okulare wahrscheinlich einen geringeren Aufwand bedeutet als die Entwicklung spezieller Sensoren und TFT-Monitore. Sensoren mit einer Diagonale von 15 mm gibt es derzeit im Digitalkameramarkt nicht. Die derzeit kleinsten Sensoren für SLR-Kameras, nämlich die des 4/3"-Formats, haben eine Diagonale von ca. 22 mm, sind also zu groß und bieten auch nur maximal 15 Megapixel, die sich auf maximal 7 Megapixel reduzieren, wenn man daraus einen Ausschnitt mit 15 mm Diagonale nutzt. Alternativ könnte man noch den Foveon-Sensor der Sigma DP1 oder DP2 nehmen, der etwas kleiner und somit näher an der Diagonale von 15 mm ist, dessen Auflösung aber noch geringer ist und dessen sonstige Schwächen (z.B. nur brauchbare Qualität nach sehr mühsamer Bearbeitung der RAW-Dateien) diesen Einsatz eigentlich verbieten. Dagegen gibt es für die Digital-Kompaktkameras kleinere Sensoren, und unter diesen ist derzeit die von mir in der Antwort auf Herrn Norbert Weigands Beitrag genannte Größe 1/1,63 Inch mit dem Format von ca, 7,9 mm x 5,9 mm die mit der größten Fläche. Das Rauschverhalten ist bekanntermaßen viel zu schlecht, um damit ein „dämmerungstaugliches Digitalfernglas“ zu bauen.
Die in der Sensorauflösung für ein halbwegs die Schärfe eines normalen optischen Fernglases erreichendes Digitalfernglas müßte bei 50 Megapixel (Einzelpixel, nicht RGB-Tripel) liegen, wenn ein herkömmlicher Sensor mit Bayer-Farbfilter benutzt wird. Das ist derzeit und noch auf sehr lange Zeit mit einem Sensor von nur 15 mm Diagonale nicht machbar. Derzeit ist es möglich bei einer Diagonalen von 67 mm, also dem linear ca. 4,5fachen bzw. flächenbezogen dem ca. 20fachen!
Der Versuch, den Mangel an Auflösung mit dem Argument zu kaschieren, daß man diese Auflösung nicht im vollen Sehfeld brauchte (die aber das konkurrierende optische Fernglas bietet) und daß man doch Details bei Bedarf herauszoomen könnte, ist ein Witz: Was will man denn z.B. 4fach herauszoomen, wenn die Auflösung schon ohne Zoom zu schlecht ist? Damit ließe sich mangelnde Monitor-, aber nicht mangelnde Sensorauflösung überspielen. Nachvergrößerung eines bereits unscharf dargestellten Bildes nennt man „leere Vergrößerung“, weil sie nur die Unschärfe noch deutlicher macht, aber keine zuvor verborgenen Strukturen hervorbringt.
Und erst recht wäre es ein Unsinn, den Monitor ebenfalls auf eine Diagone von nur 15 mm zu begrenzen, um vorhandene Okulare nutzen zu können. Ein TFT-Monitor dieser winzigen Größe (er wäre beim Seitenverhältnis 4:3 etwa 12 mm x 9 mm groß, also kleiner als eine Briefmarke, und er hätte maximal die Auflösung, die derzeit der Panasonic-G1-Sucher bietet. Da dieses Bild aber für einen scheinbaren Sehwinkel von ca. 60° viel stärker als beim Panasonic-G1-Sucher vergrößert würde, ergäbe sich nur etwa ein Viertel dessen Auflösung. Das wäre dann noch schlechter als die Qualität, die der elektronische Sucher z.B. der Panasonic FZ28 hat. Dort brauche ich allein schon dazu eine Vergrößerung um mindestens Faktor 5 bis 8, um annähernd so viele Details wie ohne Vergrößerung mit dem bloßen Auge zu erkennen. Wenn ich also so viele Details wie im herkömmlichen Fernglas mit 10facher Vergrößerung sehen wollte, müßte ist auf eine Gesamtvergrößerung von 50- bis 80fach zoomen! Da dürften selbst die besten Bildstabilisierungssysteme der neuesten Generation schon überfordert sein, und wenn man an den dann auf dem Monitor sichtbaren Bildausschnitt denkt, muß man Platzangst bekommen: Man hat gerade mal soviel vom Motiv im Bild wie bei einem herkömmlichen optischen Fernglas mit einem SSW von unter 10°. Das ist Tunnelblick hoch zwei.
Natürlich reichen alle diese Einschränkungen, um ein digitales Spielzeug zu einem gewissen Markterfolg zu füheren. Das habe ich nie bestritten, auch wenn Herr Fritzen mir das in seiner minoxbasierten Antwort unterstellt. Aber es wird nie und nimmer ein Konkurrenzprodukt zu einem optischen Fernglas für anspruchsvolle Anwender wie Vogelbeobachter, Jäger, Bootsfahrer, Naturfreunde oder Hobbyastronomen.
An dieser Stelle möchte ich mich, da jetzt alles mir wichtig Erscheinende gesagt ist, aus der weiteren Diskussion ausklinken, um mich meinen dringenden Arbeiten (u.a. einer überfälligen Steuererklärung) zuzuwenden. Ich bleibe dabei, daß das hier von Holger Merlitz mit so hohen Erwartungen angekündigte Digitalfernglas mindestens in den nächsten 20 Jahren, wahrscheinlich aber noch viel länger, absolut nicht konkurrenzfähig zum herkömmlichen optischen Fernglas werden wird. Verkaufserfolge auf dem Spielzeug- und Lifestyle-Markt sind kein Gegenargument. Denn dabei handelt es sich um Produkte für gänzlich andere Anwendungen.
Walter E. Schön