Holger Merlitz schrieb:
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> Da die unendliche Diskussion um Verzeichnung und
> Globuseffekt in einem anderen Thread laengst
> abgehoben ist und kaum jemand noch folgen will und
> kann, moechte ich hier gern noch einmal eine ganz
> grundlegende Fragestellung klaeren. Ich moechte
> damit sicherstellen, dass mein intuitives
> Verstaendnis zu diesem Thema mich nicht taeuscht,
> und ich verspreche, dass jeder hier in der Lage
> sein wird, sich seine eigene Meinung zu dem nun
> folgenden Gedankenexperiment zu bilden. Ich
> fordere daher jeden, der interessiert ist, dazu
> auf, mitzumischen, nicht nur Walter E. Schoen oder
> Konfokal.
>
> Punkt 1:
>
> Wir stellen uns ein grosses, straff gespanntes
> Tuch vor, etwa ein riesiges Transparent, das nur
> darauf wartet, von einigen Greenpeace Aktivisten
> an einem Kuehlturm angebracht zu werden. Auf
> dieses Tuch wurde aber kein Slogan gedruckt,
> sondern nur ein einfaches, regelmaessiges
> Karomuster, das genauso aussieht wie das Muster
> aus einem Schulheft fuer Matheaufgaben.
Verstanden.
> Punkt 2:
>
> Waehrend wir vor diesem riesigen Transparent
> stehen, rollt jemand von der Rueckseite her eine
> gewaltige Konstruktion heran, die aussieht wie
> eine grosse Halbkugel auf Raedern, mit der hohlen
> Seite voraus. Man faehrt diesen Apparat ganz nah
> an das Tuch und beginnt mit einer Saugvorrichtung
> dieses Tuch anzusaugen. Zum Glueck ist es perfekt
> dehnbar und schmiegt sich nach einiger Zeit ohne
> Falten zu schlagen an die Wand der Hohlkugel.
Verstanden.
> Punkt 3:
>
> Was koennen wir beobachten, waehrend wir vor
> diesem jetzt gekruemmten Transparent stehen, nahe
> am Kruemmungsmittelpunkt der gedachten Kugel, und
> in die Halbkugel blicken? Die Quadrate nahe dem
> Zentrum unserer Blickrichtung sehen unveraendert
> aus. Etwas weiter draussen jedoch bemerken wir
> eine interessante Aenderung: Ehemals gerade Linien
> zeigen auf einmal eine leichte Kruemmung. Da sich
> das Tuch an die Hohlkugel anschmiegen musste,
> erscheinen alle Linien, die nicht durch das
> Zentrum unsereres Sehfeldes gehen, ein wenig nach
> aussen gekruemmt. Wir haben eine tonnenfoermige
> Verzeichnung. Am schlimmsten erwischt es die
> Begrenzungslinie ganz am Rande der Halbkugel, die
> durch die extreme Verzerrung auf eine Kreisform
> gezwungen wurde.
>
> Ist das soweit noch nachvollziehbar? Oder taeuscht
> mich meine Intuition hier bereits? Jetzt geht es
> weiter:
Nicht verstanden, ich denke, es gibt kein Quadrat mehr, alle Quadrate, auch die in der Mitte werden zu Vierecken mit mindestens 3 gekrĂŒmmten Seiten.
> Punkt 4:
>
> Nun nehmen wir ein Fernglas mit kissenfoermiger
> Verzeichnung (korrigiert nach der Winkelbedingung)
> und sehen uns das Linienmuster noch einmal an. Die
> kissenfoermige Verzeichnung bewirkt den genau
> gegenteiligen Effekt der tonnenfoermigen
> Verzeichnung, und im Idealfall gleichen beide sich
> exakt aus und das Linienmuster erscheint wieder
> ohne Kruemmung. Das mag nicht ohne weiteres
> moeglich sein fuer die gesamte Halbkugel, aber
> zumindest fuer einen Ausschnitt von einigen Graden
> Sehwinkel.
Verstanden, ich sehe es auch so.
> Punkt 5:
>
> Jetzt schaltet jemand die Saugvorrichtung ab, das
> Tuch loest sich von der Innenwand der Hohlkugel
> und spannt sich nach kurzer Zeit wieder vollkommen
> flach vor uns auf (wir muessen dabei ein wenig
> zuruecktreten).
Verstanden, wir haben die Position aus Punkt 1
> Punkt 6:
>
> Mit demselben Fernglas erleben wir jetzt eine
> Ueberraschung: Die Linien, die sich jetzt wieder
> wunderbar gerade vor uns aufbauen, erscheinen
> durch das Fernglas ploetzlich verbogen, wir
> erkennen jetzt eine kissenfoermige Verzeichnung.
Verstanden, das ist der Effekt bei allen meinen FernglÀsern.
>
> Punkt 7:
>
> Wiederholen wir diese Prozedur mit einem Fernglas,
> das nach der Tangentenbedingung
> ("verzeichnungsfrei") korrigiert ist, dann
> beobachten wir im Punkt 6 keinerlei Verzeichnung,
> konsequenterweise aber in Punkt 4 eine
> tonnenfoermige "Verzeichnung" (genauer gesagt:
> dieselbe Kruemmung, die wir auch mit dem freien
> Auge bereits erkannt haben).
Vorsicht. Ich habe ein solches Fernglas, das Nikon SE 10x42. Es verzeichnet weniger, aber es verzeichnet doch, nur viel weniger. MuĂ ich nicht berĂŒcksichtigen, dass mein Sehfeld eine rĂ€umliche Ausdehnung hat? Die geometrische Konstruktion der Tangentenbedingung geht von einem Punkt aus, oder irre ich mich.
> Ich glaube, meine Annahmen sind verstaendlich
> genug, sind es auch meine Schlussfolgerungen? Aus
> diesem einfachen Gedankenexperiment wuerde ich
> schliessen: Ein Fernglas nach der
> Tangentenbedingung bildet unsere Linien im Falle
> des flachen Tuches als Geraden ab. Das Fernglas
> mit der Winkelbedingung hingegen bildet unsere
> Linien ebenfalls gerade ab, allerdings im Falle
> der Hohlkugel.
>
> Wo liege ich richtig und wo falsch? (Walter: Lass
> Dir ruhig Zeit und die anderen Forumteilnehmer mal
> etwas nachdenken!).
>
> Viele Gruesse,
> Holger Merlitz
>
Irre ich mich, oder ist Verzeichungsfreiheit nicht zu erreichen?
Beat Madagan