Lieber Herr Werres,
es freut mich, dass Sie angefangen haben, zu experimentieren, denn das wird auf jeden Fall Ihre Intuition schaerfen, auch wenn das Experiment nicht 100%ig klappen sollte. In Ihrem Fall, einer Membran, die um einen Ring gespannt wurde, und mit einer kleinen Kugel als Gewicht, erhaelt man eine recht komplizierte gekruemmte Flaeche, eine sogenannte Minimalflaeche, die ein wenig einem Trichter aehnelt, von der Form einer Hohlkugel aber deutlich abweicht und daher auch die Verzerrungen der Quadrate aus unserem Gedankenexperiment nicht so schoen verifizieren kann.
Zeichnungen waeren gut, waeren aber schwierig, weil dreidimensional, und ich habe leider momentan kein Computerprogramm, das die Verhaeltnisse der gekruemmten Flaechen und die Wirkungen der verschiedenen Fernglasabbildungen darstellen koennte.
Wir machen jetzt aber eine kleine Uebung, die deutlich einfacher ist als das Ueberziehen einer Halbkugel mit einer Gummimembran: Wir starten erneut mit einem quadratischen Tuch, das wir flach auf den Tisch legen. Jetzt nehmen wir Ihren Ring, dessen Durchmesser so gewaehlt ist, dass er ueber das Quadrat gelegt werden kann, und zwar so, dass die vier Ecken des Quadrates den Ring gerade beruehren. Mathematisch gesprochen haben wir jetzt einen "Kreis mit einbeschriebenem Quadrat". Jetzt ziehen wir das Tuch ueber den Ring und nehmen wieder eine gleichmaessige (radiale) Dehnung an. Das wird im Experiment wohl nicht ganz klappen, auch weil die Membran aus Polymeren besteht und sich nicht so gleichmaessig in alle Richtungen radial dehnen lassen wird.
In der Mathematik ist das aber leichter, und durch die Dehnung wird der zunaechst quadratische Umriss des Tuches zu einem kreisfoermigen Umriss. Dasselbe passiert aber auch mit jedem anderen Quadrat, das wir vorher auf das Tuch gemalt hatten, vorausgesetzt, es war um den Mittelpunkt des Tuches zentriert. Die Quadrate werden zu konzentrischen Kreisen, mathematisch gesprochen haben wir eine Transformation von einem kartesischen Koordinatensystem zu einem Polarkoordinatensystem vollzogen (es stimmt nicht ganz: Weil der Kreis eine andere Flaeche hat als das Quadrat. Es ist aber leicht moeglich, den Radius des Kreises in einer zweiten Transformation zu reduzieren und somit die Flaechentreue wiederherzustellen).
Wie das Polarkoordinatensystem aussieht, kann man hier sehen:
http ://de.wikipedia.org/wiki/Polarkoordinaten
(die Luecke nach dem http bitte schliessen)
Es sieht aus wie eine Dartscheibe, mit konzentrischen Kreisen und radialen Strahlen, die von der Mitte zum Rand hin verlaufen. Mit diesem Hintergrundwissen koennen wir uns jetzt wieder den Verzeichnungen zuwenden.
Viele Gruesse,
Holger Merlitz