Die jetzt viel größer mögliche Darstellung der animierten Zeichnung zeigt erfreulicherweise, daß ich mit meinen Aussagen recht hatte. Aber für eine korrekte Betrachtung ist das zumindest bei den üblichen Bildschirmgrößen noch immer zu klein: Du hattest die Animation auf Basis eines scheinbaren Sehwinkels von 80° bis fast 88° (scheinbarer Sehwinkel bei Zugrundelegung der Winkelbedingung) erstellt. Daraus resultiert, daß bei einem Durchmesser D des auf dem Monitor dargestellten Bildkreises der Abstand des Auges vom Monitor
d1 = D : (2 tan 80°/2) = ca. 0,6 D oder ca. 60% des Durchmessers bis
d2 = D : (2 tan 88°/2) = ca. 0,52 D oder ca. 52% des Durchmessers sein müßte.
Mein 30"-Hauptmonitor zeigt eine Bilddiagonale von knapp über 75 cm und eine Bildhöhe von knapp über 40 cm. Wenn ich dort mit dem Safari-Browser eines der animierten Großbilder aufrufe, hat der Kreis einen Durchmesser von 236 mm. Auf kleineren Monitoren muß er nicht sehr viel kleiner sein, weil diese nicht die extrem hohe Auflösung von 2560 x 1600 Pixeln haben wie mein großes Apple Cinema-Display. Aber selbst bei diesem Durchmesser von 236 mm müßte für eine perspektivisch korrekte Simulation der Betrachtungsabstand bei
d1 = ca. 14,1 cm bis d2 = ca. 12,2 cm
sein. Ich als Kurzsichtiger mit -5 dpt sehe so ein Bild bei abgenommener Brille noch scharf, der Normalsichtige jedoch kaum (es sei denn, er ist nicht älter als ca. 16 Jahre und kann noch sehr stark akkommodieren).
Bei üblichem Nah-Betrachtungsabstand von ca. 25 cm bis 40 cm ist das Ergebnis noch immer etwas verfälscht. Aber immerhin kommt man dem wahren Sachverhalt nun doch erheblich näher als bei den ursprünglichen ganz kleinen Bildchen.
Daß man die kissenförmige Verzeichnung im Randbereich der zur Winkelbedingung gehörenden Animation nun aus dem verkürzten Betrachtungsabstand weniger deutlich wahrnimmt, liegt einfach daran, daß der jetzt viel schrägere Blick auf den Rand des ebenen Bildes dort zu einer horizontalen Stauchung führt. Würde man noch viel schräger fast parallel zur Bildebene darauf schauen, wären die Gitterlinien tatsächlich wieder so gut wie parallel. Es kommt ferner noch hinzu, daß man jetzt aus so kurzer Distanz das deswegen riesig gewordene Gesamtbild gar nicht mit einem Blick halbwegs scharf erfassen kann: Schaut man in die Mitte, sieht man den Rand so unscharf, daß die Krümmung der Linien in der Unschärfe untergeht. Schaut man an den Rand, sieht man nicht mehr zum Vergleich die annähernd unverzeichnete Bildmitte. Und schließlich ist bei zufällig verteilten Punkten eine Verzeichnung im ruhenden Bild gar nicht und im bewegten Bild deswegen kaum auszumachen, weil der Blick beim Verfolgen einer „Sternkonstellation“ von rechts nach links oder umgekehrt laufend die Blickrichtung relativ zur Bildebene erheblich verändert (nämlich je nach Tangenten- oder Winkelbedingung im Bereich von -40° bis +40° bzw. von -44° bis +44°. Alle diese Nebeneffekte tragen dazu bei, daß man das, was man sehen möchte, leider nicht so gut erkennen kann, wie es von Dir theoretisch zu erwarten war.
Mit der folgenden letzten Bemerkung wiederhole ich mich, aber ich muß sie noch loswerden: Alle diese schönen Animationen sind hilfreich, die Auswirkungen der verschiedenen Abbildungsbedingungen (Tangenten- bis Winkelbedingung) anschaulich zu machen und auch (was ich besonders hervorheben möchte) um zu zeigen, ob und wie sie den Globuseffekt unterdrückena können. ABER: Diese Animationen erklären nicht das Entstehen des Globuseffekts.
Noch ein kleiner Tip: Mich stört an Deiner Darstellung, daß Du keine einheitliche Reihenfolge der verschiedenen Abbildungsbedingungen einhältst. In Abb. 1 mit den Formeln ist die Reihenfolge „Tangentenbedingung - Winkelbedingung - Kreisbedingung", in der Abb. 2 sowie in den aufeinanderfolgenden Abbildungen 3, 4 und 5 dagegen ist die Reihenfolge „Winkelbedingung - Kreisbedingung - Tangentenbedingung“. So kann es zu Fehlern kommen, wenn man die den jeweiligen Animationen zukommenden Formeln in Abb. 1 sucht. Vielleicht kannst Du die Reihenfolge noch umstellen, wobei ich die Reihenfolge „Tangentenbedingung - Kreisbedingung - Winkelbedingung“ empfehle, bei der man mit der zunächst (historisch) benutzten verzeichnungsfreien Abbildung beginnt und die beiden kissenförmig verzeichnenden Bedingungen nach der größer werdenden Verzeichnung anordnet. Aber auch, wenn Dir eine andere Reihenfolge sympathischer sein sollte, sollte sie auf jedenfall durchgängig einheitlich sein.
Walter E. Schön
PS.: Jetzt habe ich noch eine kleine Frage: Von wem stammt die Bezeichnung „Kreisbedingung“, und warum wurde sie so genannt? Ich kann so auf den ersten Blick nichts erkennen, was mit „Kreis“ zu tun hätte.
Nachtrag:
Ich muß mich jetzt für längere Zeit ausklinken und kann mich wahrscheinlich erst nach Weihnachten oder im neuen Jahr wieder melden, denn ich rotiere schon wieder: Ein Auftraggeber aus Japan hat mir soeben eine eMail mit einem längeren, aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzenden Text für seine Internetseite geschickt, die noch vor Weihnachten fertig sein soll, und unmittelbar danach kam ein Anruf eines anderen Aufraggebers, der dringend Word-Dateien von 34 InDesign-Seiten benötigt, die ich in den letzten Wochen für seine Internetseite erstellt hatte.
Ich wünsche deshalb schon heute allen Forumsteilnehmern (ausdrücklich sage ich nicht „Forenten“ oder gar „Forgänse“!) ein ruhevolles, erholsames und gesegnetes Weihnachtsfest!