Ich habe Ihre Anmerkungen mit großem Interesse gelesen, besonders deswegen, weil Ihre Überzeugungskraft einen Meinungsumschwung bei mir ausgelöst hat. Es ist Ihnen gelungen, mich auch bei Ferngläsern von der "vernunftgläubigen" Preisbildungstheorie abzubringen und zu erkennen, dass diese Position in Wahrheit die naive ist. Ich beginne allmählich besser zu verstehen, was Marktgeschehen wirklich bedeutet. Auch wenn mir eine leidenschafts- und skrupellose Einschätzung der Vorgänge bei technisch anspruchsvollen Produkten im Grunde unsymphatisch ist, hat die Erkenntnis der kaufmännischen Wirklichkeit etwas befreiendes. Zu sehen, dass es selbst bei Hochtechnologieprodukten jenseits vom Fertigungskönnen eines Herstellers viele oft weit mächtigere preisbestimmende Einflußgrößen gibt, als es die scheinbar simple Marktmechanik suggeriert, öffnet die Augen. Der Zusammenhang von Herstellkosten und Verkaufspreis muß auch bei optischen Geräten viel viel lockerer sein, als ich bisher angenommen habe. Und jetzt verstehe ich zwei konkrete Beispiele, über die ich mich jüngst gewundert habe, viel besser:
Die Fa. Canon brachte die Digitalkamera A650IS für rund 230 Euro auf den Markt, später das Modell G10 für 450 Euro. Auch wenn die Bauqualität der A650 weniger hochwertig erschien, wurde in den üblichen Tests rasch bemerkt, dass die Bildqualität quasi identisch und der Funktionsumfang des preiswerteren Modells vergleichbar oder sogar etwas größer war. Canon reagierte rasch und passte den Preis der A650IS an, zunächst auf 450, mittlerweile auf 550 Euro.
Man kann davon ausgehen, dass im Normalfall bei technischen "Consumer"-Produkten etwa 40% des Verkaufspreises Herstellerkosten sind und 60% des Verkaufspreiseses von den Händlern beim Einkauf bezahlt werden müssen. Demnach lägen die Herstellkosten der A650IS bei etwa 90 Euro, Canon hätte bei Markteinführung pro Verkauf 50 Euro verdient, der Handel 90 Euro. Bei unveränderten Herstellkosten dürften die Verdienste inzwischen bei 130 bzw. 220 Euro liegen. Ganz ähnlich bei einem Vixen-Fernglas. Vor wenigen Wochen noch kostete das Ultima 8x32 Porro 255 Euro, nun sind es plötzlich 490 Euro.
Wenn man dann noch berücksichtigt, dass der Handel sicher gern auch gestern günstig eingekaufte Ware zu nunmehr aktuellen Preisen verkauft wird klar, wie das Spiel oft laufen wird, laufen muß. Erst wenn es nicht mehr zfriedenstellend läuft, muß es über sinkende Preise, lauteres Werbegeschrei, Schutzrechtdrohungen und zuletzt über "neue" Produkte wieder ankurbelt werden. Swarovision, EDG, Lotutec, HD usw. lassen gruessen. Im übrigen habe ich gehört, dass von den Herstellern schon Fernglasmodelle quasi zum Herstellungspreis an den Handel verkauft wurden, wenn es das Marketing so wollte - auch im Premiumsegment. Nicht unwahrscheinlich, dass es wie bei anderen Produkten auch schon zu Dumpingpreisen gekommen ist, und sich zuweilen das Verhältnis von Herstellungskosten und Preis sogar umgekehrt hat.
PS.: Dank auch an MC! Was mir zunächst wie Querulanz erschien, hat sich nun als berechtigte Hartnäckigkeit und begründeter Widerspruch entpuppt.
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 03.04.09 17:59.