Wegen meiner späten Rückkehr von der Photokina hatte ich mich erst spät in diese Diskussion eingeklinkt. Jetzt möchte ich aber nachträglich noch heftigsten Widerspruch gegen Ihre unhaltbare These in Ihrem Beitrag anmelden, mit dem Sie diese Diskussion eröffnet hatten:
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Zitat: „Beim unbewaffneten Auge (ohne Fernglas) kann der Mensch nur Sachen scharf sehen , die im Zentrum seines Blickfeldes liegen, deswegen müssen ja auch beim Lesen die Augen mitwandern. Bei Ferngläsern, selbst bei Spitzengläsern- wird in letzter Zeit aber zunehmend auch die sog. Randschärfe als Kaufargument herangezogen. Das menschliche Auge kann damit aber gar nichts anfangen.“
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Es mag sein, daß Sie damit nichts anfangen können (was ich aber doch bezweifle, weil Sie selbst wenige Zeilen später sagen „Ein großes Gesichtsfeld ist mir wichtig ...“, was ja dann kompletter Unsinn wäre, weil Sie mit einem großen Sehfeld (das ist der richtige Ausdruck, denn Gesichtsfeld* ist etwas anderes) nichts anfangen könnten, wenn Sie doch nur immer durch die Mitte schauen!
Ich aber – und mit Sicherheit die meisten anderen Fernglasnutzer ebenso – blicke nicht immer nur starr auf die Bildmitte, sondern lasse meine Augen im Sehfeld wandern. Erst am letzen Sonntag machte ich mit meiner Frau eine längere Wanderung, bei der wir ein Rudel Hirsche sahen. Die Tiere waren so verteilt und zugleich so nah, daß wir innerhalb der Sehfeldes unserer Ferngläser nicht ganz das komplette Rudel sehen konnen. Ich habe nun, um die einzelnen Tierezu betrachten, nicht etwa das Fernglas (diesmal hatte ich das leichte Canon 12x36 IS II dabei) von einem zum anderen Tier geschwenkt, sondern ganz ruhig so gehalten, daß ich fast das komplette Rudel überblicken konnte. Und dann konnte ich den Hirsch mit dem prächtigen Geweih und seinem Harem samt Jungtieren einzeln allein durch Wandern der Augen betrachten. Ich bin sicher, daß Sie es in dieser Situation genauso gemacht hätten. Dank der guten Randschärfe dieses Fernglases konnte ich nicht nur in der Mitte, sondern auch am Rand alle Tiere gut beobachten.
Sie gehen mit Ihrer Kurzschluß-Logik davon aus, daß das Fernglas nur in der Mitte scharf abbilden müsse, weil auch das Auge nur in der Mitte scharf sieht. Sie nehmen also stillschweigend und fatal irrend an, daß die Sehachse des Auges starr mit der optischen Achse Ihres Fernglasokulars verbunden sei. Nein, das ist nicht der Fall: Genauso wie ohne Fernglas macht das Auge auch mit Fernglas davor rollende Bewegungen und tastet die Landschaft (oder ein anderes Motiv) sequentiell ab. Wenn dabei das Auge z.B. um 20° seitlich ausgerichtet ist, dann will es an dieser Stelle ein scharfes Bild sehen, und da machte dann Ihr Wunschfernglas mit schlechter Randschärfe einen Strich durch die Rechnung. Beobachten Sie doch mal, z.B. bei Ihrem nächsten Ausflug an einem schönen Aussichtspunkt, andere Menschen beim Betrachten einer Landschaft: Sie werden feststellen, daß die Menschen nicht ständig den ganzen Kopf hin und her schwenken, sondern ihn weitgehend ruhig halten und nur durch Augenbewegung die Landschaft erfassen. Wenn aber der Kopf stillhält, muß bei der Fernglasbeobachtung auch das Fernglas stillhalten (sonst ginge der Kontakt der Okulare/Augenmuscheln mit den Augen verloren), und dann müssen die Augen sich bewegen, was sie mit Sicherheit auch bei Ihnen tun.
Ich möchte Sie noch mit einer anderen Information von Ihrem Irrtum abbringen: Wenn Sie recht hätten, müßte ein Fernglas nur in einem so kleinen (okularseitigen) Winkelbereich scharf abbilden, wie auch das Auge ohne Fernglas scharf sieht. Dieser Winkelbereich ist derjenige, innerhalb dessen das Bild auf die Fovea in der Netzhautgrube des Auges fällt, und dieser Bereich hat nur einen Durchmesser von ca. 0,5 mm. Das entspricht der Größe einer 1-Euro-Münze in einem Abstand von ca. 80 cm. Der zugehörige Winkel bträgt ca. 1,6°. Noch schärfer, also wirklich perfekt scharf sieht das Auge sogar nur innerhalb der ca. 0,1 mm großen Foveola in der Mitte der Fovea. Das entspricht der Größe der 1-Euro-Münze aus ca. 4 m Abstand oder einem Winkel von nur ca. 0,3° Wenn Sie ein Fernglas hätten, das okularseitig nur einen so kleinen Winkelbereich scharf darstellt, würden Sie es bestimmt in hohem Bogen wegschmeißen.
Die von Ihnen als „Getue um die Randschärfe“ abqualifizierte Diskussion ist also durchaus berechtigt, weil es nicht nur einzelne Menschen mit starrem Blick auf die Mitte gibt, sondern in der weit überwiegenden Mehrzahl solche, die den Blick auch nach links, rechts, oben und unten richten. Auch wenn Sie möglicherweise nicht dazugehören, sollten Sie den anderen den freien Blick abseits der Achse nicht verwehren und ihnen auch dort ein scharfes Bild gönnen.
Walter E. Schön
* Der im Fernglas als vergrößertes Bild dargebotene Teil des Raumes (Ausschnitt aus der Natur) wird als SEHFELD bezeichnet. Dagegen ist das GESICHTSFELD derjenige Bereich, den der Mensch (ohne Fernglas!) ein- oder beidäugig („monokulares Gesichtsfeld“ bzw. „binokulares Gesichtsfeld“) mit geradeaus nach vorn gerichteten Augen ohne Augenbewegungen wahrnehmen kann. Da Sie kein Ophthalmologe sind, kann ich es Ihnen nicht übelnehmen, wenn Sie sich als Laie mal ungenau oder falsch ausdrücken. Aber wer sich für Ferngläser interessiert und mit anderen darüber diskutiert, sollte dabei möglichst die korrekten Bezeichnungen verwenden. Meine Korrektur soll also nicht als Vorwurf verstanden werden, sondern nur als Versuch, eine Wissenslücke zu schließen.