Hallo Herr Merlitz,
mag sein, dass Sie tendenziell Recht haben. Ich stütze mich mit meinen Aussagen zum Thema Randunschärfe aber auf vorhandene Beispiele am Markt, die ich selbst mit meinen Augen eingehend geprüft habe. Nehmen Sie das Nikon HG-L 8x32 und vergleichen Sie es mit dem Zeiss Victory FL 8x32: Das Nikon kostet zwischen 800 und 1050.- €; das Zeiss liegt so zwischen 1150.- und 1400.- €, ist also von unten nach oben gerechnet ungefähr 30 - 44% teurer. Das Bild des Nikon ist sicher eine Spur weniger hell, als das Zeiss; der Unterschied erscheint mir aber erstaunlich gering. Das Nikon hat 136 m Sehfeld auf 1000m (laut Stiftung Warentest sind es sogar gemessene 138 m, weil beim geprüften Exemplar wohl die Vergrößerung knapp unter 8-fach lag - gemessene AP 4,1 mm); das Zeiss hat ein Sehfeld von 140 m. Ich gebe zu, es gibt einen erkennbaren Unterschied im empfundenen Weitwinkeleindruck zugunsten des Zeiss aber so viel, dass man das Nikon als deutlich schlechter empfinden würde, ist es beileibe nicht. Ich räume ferner ein, dass die in Deutschland produzierten Gläser aufgrund der bekannten Standortgegebenheiten etwas teurer sein können, als die in Japan produzierten; keinesfalls jedoch müssten die standortbedingten Unterschiede bei fast 40% liegen - siehe Preise der japanischen Autos. Folglich müsste eigentlich ein nennenswerter Betrag der Preisdifferenz "übrig" sein, um die Zielkonflikte Sehfeldgröße, Gewicht und Bildhelligkeit vs. Randschärfe wenigstens in einem zufriedenstellenden Kompromiss zu lösen. Sicher haben diejenigen Forumsteilnehmer Recht, die durch einen solchen Kompromiss etwas mehr Gewicht befürchten. Andereseits sollten sie sich fragen: würde jemand ein bis über 90% des Sehfelds randscharfes Victory FL 8x32 deswegen nicht kaufen, weil es anstatt 560 dann 620 oder auch 650 Gramm wiegt? Es wäre als typisches Reiseglas immer noch leichter als das Nikon-Pendant. Ich will auch nicht die Preise hochreden, aber ich bin davon überzeugt, dass es Zeiss-Freunden bei den heute schon sehr hohen Kosten für ein Qualitätsglas aus diesem Hause nicht darauf ankäme, für ein gut randscharfes Glas noch 50 bis max. 100 Euro mehr auf den Tisch des Optikers zu legen, wenn es denn unbedingt etwas mehr kosten müsste, wovon ich - siehe oben - gar nicht überzeugt bin.
Ein Letztes, obwohl ich dies in meinen vorhergehenden Beiträgen schon betont habe und Wiederholungen die Argumente nicht besser machen: wenn bei Zeiss (und Leica) Randschärfe in der Prioritätenliste der anzustrebenden optischen Qualitätseigenschaften eher einen nachrangigen Platz einnimmt (was die heutigen Ferngläser aus diesen Häusern nachdrücklich beweisen), dann machen diese renommierten Hersteller schon deswegen einen Fehler, weil Ihre Kundschaft meines Erachtens aufgrund der finanziellen Möglichkeiten eher "erwachseneren" Alters ist. Ältere Menschen oberhalb 45 - 50 können aber nun mal nicht mehr so weit akkomodieren, dass sie die stärkere Bildfeldwölbung, die hauptsächliche Ursache der Randunschärfe ist, auszugleichen vermögen.
Viele Grüße,
Frank
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 14.10.06 09:41.