Ja, das geht und wird auch in einigen Billigferngläsern so gemacht (z.B. von Bresser/Meade). Die Justage ist eines der Probleme, die Güte der Oberfläche (Ebenheit bzw. Wellenfrontdeformation) ein zweites, das an den Oberflächen durch Mikrorauhigkeit entstehende Streulich ein drittes und (besonders gravierend) der Lichtverlust durch erheblich niedrigeren Reflexionsgrad ein viertes. Aluspiegel liegen unter 90%, Silberspiegel sind deutlich besser, aber im sehr kurzwelligen Bereich schlechter und nur mit teurer Mehrschichtvergütung auf ein für hochwertige Ferngläser akzeptables Maß zu bringen; dielektrische Spiegel mit 40 bis 50 Schichten kommen zwar nahe 100% heran, sind aber insgesamt (weil ja für ein geradsichtiges System mindestens 4 spiegelnde Flächen nötig sind!) wesentlich teurer als Prismen. Außerdem ließen sich von den heute für Ferngläser üblichen Prismenformen nur Porroprismen (mit deutlichem Parallelversatz der Achsen von Objektiv und Okular, also mit für ein Kompaktglas sperriger Bauweise) und Abbe-König-Prismen (mit fluchtenden oder nahezu fluchtenden Achsen für die schlankeren Ferngläser) durch Spiegel ersetzen. Schmidt-Pechan- (überwiegende Mehrzahl bei Dachkantgläsern) und Uppendahl-Prismen haben nämlich Glasflächen, die auf dem Zick-zack-Weg des Lichts mehrfach getroffen werden und dann je nach Einfallswinkel mal das Licht durchlassen und mal reflektieren. Wie sollte man das mit Spiegeln erreichen? Aber auch das Abbe-König-Prisma ist mit bezahlbarem Aufwand in der für ein hochwertiges Fernglas nötigen Qualität (Genauigkeit des 90°-Dachwinkels, der je nach Vergrößerung in der Größenordnung von wenigen bis knapp über 1 Winkelsekunde genau eingehalten werden muß) mit Spiegeln nicht zu realisieren (man bedenke auch die Langzeitstabilität!).
Es könnte sein, daß es bei reinen Spiegelkonstruktionen engere Grenzen für den maximal erzielbaren Sehwinkel gibt als mit Prismen. Denn innerhalb des Prismas verlaufen die Lichtstrahlen (nach Brechung an der Einrittsfläche zum Lot hin) weniger schräg als durch die Luft zwischen den Spiegeln. Ob das in der Praxis aber tatsächlich kritisch wäre, müßte man durch Aufzeichnen oder Berechnen konkreter Strahlengänge prüfen, wofür mir momentan die Zeit fehlt. Ich bin mir aber ziemlich sicher, daß dies zumindest eine leichte Volumenvergrößerung erfordert und sehr große Sehwinkel zumindest bei niedriger Vergrößerung unmöglich macht. Insofern ist die Spiegelkonstruktion zur hier diskutierten Zielsetzung kontraproduktiv.
Einschränkung meiner obigen Agumentation: Wenn es nur auf Gewichtseinsparung ankäme und Geld keine Rolle spielte, das Fernglas also teurer werden darf als eines mit Prismen, dann wäre es mit einigen Einbußen in der Transmission machbar. Aber welcher Kunde würde es kaufen? Keiner.
Walter E. Schön
P.S.:
Die hier gemachten Vorschläge zeigen mal wieder, daß manche technische Lösung – nicht nur in der Optik – weit schwieriger zu finden ist, als es sich der (die Zusammenhänge nur oberflächlich kennende und betrachtende) Laie oft vorstellt. Insofern erinnert mich der Vorschlag, Spiegel statt Prismen zu verwenden, an den Vorschlag, ein Fahrrad mit einem kleinen Vorderrad und einem großen Hinterrad zu bauen, damit man sich beim Strampeln nicht so sehr anstrengen muß (denn dann fährt man ja immer „bergab“).