Gut, meine Argumentation (und sicher auch die von Herrn Fritzen) war nicht ausschließlich an Sie gerichtet, denn wir diskutieren in einem öffentlichen Forum mit zahlreichen Mitlesern. Nehmen Sie es also bitte nicht so persönlich und nicht so ernst. Sie haben ja glücklicherweise nicht beleidigt, sondern gelassen reagiert.
Es gibt viele andere Fernglasinteressenten, denen die Kompaktheit der momentan in hoher Qualität verfügbaren 8x20- und 10x25-Gläser zusagt, weil man sie ohne spürbare Belastung und fast unsichtbar (was bei manchen Einsätzen wie z.B. im Theater, Konzert oder beim anderen Veranstaltungen durchaus eine Rolle spielen kann) in der Gürtel- oder Jackentasche mitführen kann. Es ist daher gut, daß es sie gibt. Auch ich schätze vornehmlich diese Eigenschaft der Minis und nehme den auf ca. 50° eingeschränkten scheinbaren Sehwinkel und die stark abnehmende Brauchbarkeit bei schlechtem Licht als Preis für die Annehmlichkeit des „Immer-dabei-haben-Könnens“ in Kauf. Diese Gläser sind aber selbst dann, wenn es dämmrig wird, immer noch besser als ein 8x32, das man zu Hause in der Schublade liegen hat. Mit dem Einblickverhalten und der Griffigkeit der Kleinen habe ich im Gegensatz zu Ihnen keine Probleme, obwohl ich mit 1,85 m Größe noch kein Zwerg bin und meine Hände eine zur Körperlänge proportionale Größe haben. Aber das liegt vielleicht daran, daß ich auch einen erheblich dünneren Breistift, Kugelschreiber, ein Grafikerskalpell, ein Schnitzmesser oder ein Eßbesteck problemlos handhaben und sogar ohne zu kleckern mit Stäbchen essen kann.
Ich verstehe aber, daß Sie und vielleicht gar nicht so wenige andere sich noch eine Fernglasgröße zwischen den 8x20/10x25-Minis und den Universal-Gläsern um 8x32/10x32 wünschen. Geht man bei den Minis von ca. 220 bis 270 g und bei den Universalgläsern von 550 bis 700 g aus, so wäre eine Zwischenstufe bei 350 bis 420 g der optimale Lückenfüller. Da Sie dann aber schon mehr als nur einen scheinbaren Sehwinkel von 50° wünschen, vielleicht 58° bis 62°, so daß wird an der Grenze zum echten Weitwinkelglas sind, kommen wir automatisch zu Okularen und Prismengrößen, die denen der aktuellen 8x32-Gläser entsprechen. Vielleicht wäre 1 mm weniger Durchmesser möglich, aber dann müßten für Ihre Wunschgröße ANDERE Okulare und Prismen als die schon von den 8x32-Gläsern her vorhandenen entwickelt und gebaut werdem, was die Kosten gewaltig in die Höhe treibt. Also verzichten wir auf die nur 1 mm bringende Schlankheitskur und übernehmen Prismen und Okulare von den 8x32-Gläsern. Gewicht und Größe sparen läßt sich dann nur noch mittels kleinerer Objektive. Ich glaube, daß wir dann, wenn wir das Rohrgehäuse wie bei den Minis vorn und hinten gleich dick, also zylindrisch gestalten und nicht sich zum Okular hin verjüngend, nicht nur 25-mm-, sondern sogar 28-mm-Objektive unterbringen könnten.
Der kleinere Durchmesser bringt aber zu wenig, wenn die Brennweite gleich bliebe. Also verkürzen wir die auch, und zwar so, daß wir von 8facher auf 7fache Vergrößerung kommen (d.h. auf 7/8). Das paßt prima, denn dann können wir die Objektvkonstruktion einfach um diesen Faktor 7/8 maßstäblich verkleinern (was die gewünschte knapp 2 cm kürzere Brennweite und den Durchmesser 28 mm ergibt. Solange wird den tatsächlichen Sehwinkel und somit auch das Sehfeld (z.B. 120 m auf 1000 m) nicht verändern, haben wir dann auch eine vergleichbar gute Bildqualität. Reichen Ihnen 120 m? Vielleicht sagen Sie jetzt vorschnell „ja“, deshalb will ich, um das zu verhindern, gleich den daraus bei 7facher Vergrößerung resultierenden scheinbaren Sehwinkel angeben: er beträgt
2 · arc tan (7 · 120/2000) = 2 · arc tan 0,42 = 2 · 22,78° = 45,56°
Da nun die meisten Ferngläser zur Unterdrückung des Globuseffekts (aber auch und vielleicht insgeheim noch mehr zur Aufweitung des scheinbaren Sehwinkels) eine beträchtliche Verzeichung aufweisen, wollen wir man 15% Verzeichnung in die obige Formel hineinpacken, also den Faktor 1,15 in die Klammer vor dem arcus tangens, und wir erhalten dann
2 · arc tan (1,15 · 7 · 120/2000) = 2 · arc tan 0,483 = 2 · 25,78° = 52,56°
Nanu, das ist nicht viel mehr, als die jetzigen Minis 8x20 haben, obwohl sich bei dieser 15%-Verzeichnung am Bildrand schon deutlich die Balken biegen. Noch mehr Verzeichnung wäre daher nicht mehr tragbar. Also brauchen wir doch neu konstruierte Objektive, falls die jetzigen der 8x32-Gläser außerhalb ihres momentan genutzten Bildfeldes in der Schärfe und der Farbsaumkorrektion zu stark nachlassen – oder wir müssen eine deutliche Randunschärfe und am Rand anwachsende Farbsäume hinnehmen. Tun wir lieber letzteres, denn neu konstruierte Objektive statt maßstäblich verkleinerte nach gleichem Design werden teurer. Nutzen wir den freien Durchlaß der Prismen und das von den Okularen erfaßte Feld ganz aus, dann kommen wir auf einen Winkel, der sich ergibt, wenn wir in der obigen Formen wieder statt der 7 (für die Vergrößerung) die 8 (der ursprünglich genutzten Vergrößerung einsetzen, nämlich
2 · arc tan (1,15 · 8 · 120/2000) = 2 · arc tan 0,552 = 2 · 28,9° = 57,8°
Na also, zwar ist noch kein richtiges Weitwinkelglas daraus geworden, aber mit knapp 58° fehlt nicht mehr viel, und es ist auf jeden Fall erkennbar mehr als bei den 8x20-Minis.
Was Sie außer dem gewünschten größeren Klotz in Ihren Pranken gegenüber den Minis noch gewonnen haben, ist also ein merklicher Zuwachs an scheinbarem und an tatsächlichem Sehwinkel und dank der größeren Austrittspupille von nunmehr 28 mm : 7 = 4 mm bessere Dämmerungstauglichkeit und ein erheblich verbessertes Einblickverhalten, das auch durch eine wegen der kürzen Brennweite ein wenig nach außen verlagerte Position der AP, also einen längeren Austrittspupillen-Längsabstand, für Brillenträger angenehmer wird. (Behalten Sie aber im Auge, daß Sie sich später nicht über die am Rand stark nachlassende Bildqualität beschweren dürfen.)
Allerdings dürften die Reduzierung von Objektivbrennweite und Objektivdurchmesser sowie damit auch der Rohre (auch bei verminderter Dicke der Gummiarmierung) nur eine geringe Volumenverkleinerung gebracht haben (ca. 1,5 cm kürzer und 5 mm kleinerer Durchmesser vorn). Das Gewicht könnte vielleicht maximal um 100 g geschrumpft sein, also auf etwa 450 g, was knapp über unserer obigen Vorgabe liegt, wenn das Ding wasserdicht und ähnlich rubust sein soll wie die 8x32er.
Wenn Sie mit diesem auf realisierbarer Schätzung basierenden Ergebnis zufrieden wären, müßten Sie nun nur noch die Herren Leica, Swarovski und Zeiss davon überzeugen, daß ein solches Fernglas von vielen Fernglasfreunden NICHT ANSTELLE eines 8x32 oder eines 8x20, sondern ZUSÄTZLICH gekauft würde. Gelingt Ihnen das, dann steht einer baldigen Markteinführung eines solchen Semi-Minis nicht mehr viel im Wege.
Noch ein letztes Wort zu den gar nicht so wenigen Billiggläsern, die Ihren Wunschzahlen 7x25 entsprechen oder nahe kommen: Die sind entweder trotz dieser Daten groß und schwer (>550 g) oder nicht robust, nicht wasserdicht, mit Tunnelblick und von mäßiger (um nicht zu sagen: saumäßiger) Bildqualität. Das haben Sie sich sicher nicht gewünscht.
Jetzt muß ich mal eine Pause von ein paar Tagen einlegen, denn ich bin mit meiner beruflichen Arbeit nach Kurzurlaub und Krankheit immer noch sehr im Rückstand. Ich ziehe mich also vorübergehend zurück.
Walter E. Schön