Eines vorweg: Ich wollte mit meiner kleinen Polemik über Kaufleute und Ingenieure niemandem zu nahe treten. Selbstverständlich gibt es ebenso engagierte und informierte Händler und Kaufleute wie andererseits unkreative und schlecht konstruierende Ingenieure, wer möchte das bestreiten. So unverzichtbar die einen, so ärgerlich die anderen.
Aus purer Freude am Widerspruch möchte ich aber zur hie und da polemischen "Zusammenfassung" von Herrn Fritzen stellungnehmen, auch um Mißverständnisse auszuräumen. Schließlich fordern die rhetorischen Fragen mich heraus - vorausgesetzt, ich soll nicht nur mundtot gemacht werden.
Zu den drei Abschnitten:
a) Ich möchte in keinem Kundensegment fischen. Ich bin selber Kunde und möchte gefischt werden.
Womit? Es war nie die Rede von einem winzigen Taschenglas für die Hemdenbrust mit den technischen Daten eines Normalglases. Es war die Rede vom Ausfüllen der Lücke dazwischen. Und das nicht in Massenmarkt- sondern mindestens in anständiger, besser in Premium-Qualität. Der Hinweis, auf der Suche nach einem guten Wein für den gleichen Preis mehr vom passablen zu nehmen (Conquest) überzeugt nicht jeden. Und die preisliche Lücke bei den Dachkant-Premiumgläsern zwischen den 500-600 EUR für die Taschenmodelle und den 1300-1500 EUR für die Normalgrössen überspringt auch nicht jeder leicht.
Die Frage nach Gleichteilen und rationeller Fertigung ist für Kunden nicht nur uninteressant, sie relativiert sich ausserdem, wenn man sich vergegenwärtigt, wieviele Modellgrößen alleine Zeiss im Laufe der Zeit angeboten und wieder eingestellt hat (4x12, 6x18, 15x60, 30x60 u.a.m.).
b) Massenoptik und Außergewöhnliches schließen sich für meine Begriffe ebenso aus wie Massenoptik und Erklärungsbedarf. Die Premiumhersteller zielen mit Ihrem exklusiven Angebot optischer Höchstleistung vorwiegend auf Enthusiasten, die sich oft gerne die teure Technik erklären lassen, weil sie nicht nur durchblicken, sondern auch wissen wollen, wofür sie ihr gutes Geld ausgeben. Im Gegensatz dazu kann ein Hersteller von billiger Massenoptik nicht vernünftigerweise auf teuren Erklärungsbedarf setzen. Das einzig Interessante an einem Massenprodukt sind doch die Nachteile, die damit einzukaufen man bereit sein muß. Und die interessieren ausgemachte Billigkäufer und -verkäufer gleichermaßen wenig, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Die anständige Mittelklasse, bei der der Informations- und Beratungsbedarf vermutlich am höchsten ist, weil hier naturgemäß die groesste Vielfalt unter den angebotenen Kompromissen besteht, wuerde ich nicht zur Massenoptik zählen - allerdings kenne ich keine Verkaufszahlen, zugegeben.
Der konkrete Vorschlag, wie eine empfundene Lücke mit einem 8x25 ausgefüllt werden könnte, wird nicht durch die merkantile Erfolglosigkeit ulkiger außergewöhnlicher Formate aus dem billigen Massenmarkt widerlegt. Da hat vermutlich nicht nur das aufsehenerregende Format versagt, sondern auch die absehenerregende Qualität, siehe das von mir genannte Nikon-Billigglas mit toller Papierform.
Ich glaube auch nicht, dass die angesprochene Lücke nur eine von vielen anderen im Fernglasmarkt ist, für die sich zu wenige interessieren und die zu bedienen sich nicht auszahlen würde. Ein gutes Einblickverhalten und ein anständiges Sehfeld wie beim vorgeschlagenen 8x25 Kompakt-Glas mit vielleicht 350 g (eben KEIN Winzigglas) wären machbar und sprängen schon jedem Normalanwender ins Auge. Ich habe eher den Eindruck, die Lücke in der AP-Reihe bei 8x Gläsern hat sich historisch ergeben und ist in Vergessenheit geraten oder wird heruntergespielt. Bei 10x Gläsern ist das Angebot nicht nur lückenlos von 2,5 bis 7mm AP, sondern die Gläser mit 3mm gehören optisch zum besten, was der gesamte Markt bieten kann. Nur sind diese wundervollen Gläser mit 30er oder 32er Objektiven und 500 bis 600g nicht mehr wirklich kompakt und leicht zu nennen - recht handlich, ja das schon. Zu niedrigeren Vergroesserungen hin, 7x und weniger, wird die Sache mit dem Sehfeld problematisch. Die oben genannten 4x und 6x Taschengläser von Zeiss waren optisch 1a, hatten 3mm AP, kamen aber nicht über gut 50° Tunnel-Sehfeld hinaus. Vielleicht fanden sie deshalb wenig Freunde.
c) Eigentlich haben Sie Recht. Hätte ich das Geld, die Zeit, die technische und kaufmännische Kompetenz, eine wirklich anständige Konstruktion für 8x25 und dazu einen Hersteller, der diese qualitativ gut realisierte - die Versuchung wäre gross, als kleiner Fischer neben den Grossen fischen zu gehen. Aber dass es 15 asiatische Hersteller geben soll, die die nötige Technik beherrschen, weckt Zweifel in mir, ob wir von der selben Qualitätsstufe reden. Dass mir dann gleich ein paar tausend Gläser für den Preis meines nächsten Autos in Aussicht gestellt werden macht die Angelegenheit nicht einfacher. Es verlangte von mir entweder, als nächsten Wagen eine Art blattgoldverzierten Bugatti ins Auge zu fassen, oder, meinen möglichen Kunden Optiken in Schießbudenqualität anzubieten. In beiden Fällen wäre mir unwohl. Ob schließlich nur eine einzige nicht ganz dumme Idee auf Dauer geschäftlichen Erfolg bedeutete steht nochmal auf einem ganz anderen Blatt - gute Ideen sind schließlich infektiös und finden Nachahmer. Da wärs doch besser, es steckte sich gleich ein richtig grosser Fischer an... der wuerde auch einen Mißerfolg leichter verkraften.
Doch genug von meinem Senf. Ich schließe ich mich Herrn Sommerfeld an, der sich ein Ende der Debatte wünscht, über die ein Karl Kraus in seinem Sinne lächelnd gespottet hätte: Es ist eigentlich schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem.
M. Metz