1. Es stand doch in allen Ihren Beiträgen als Titel (und ebenso in vielen der darauf antwortenden Beiträge), daß es um ein KOMPAKTGLAS geht. Ich verstehe unter „kompakt” soviel wie „auf kleinstem Raum, dicht zusammengedrängt". Diesem Anspruch wird das, wovon Sie jetzt reden, doch in keiner Weise gerecht. Legen Sie doch mal das Bushnell und das Vixen Ultima neben ein Trinovid, Ultravid, Victory, Swaro ... 8x20, und Sie werden (wahrscheinlich mit Entsetzen) feststellen, daß das Attribut „kompakt“ diesen Bushnell- und Vixen-Modellen wirklich nicht zusteht. Um eine Analogie zu gebrauchen: Erst fragten Sie nach einem Zweisitzer-Cabrio, und jetzt diskutieren Sie über einen Kleinbus.
2. Die Spiegelidee scheint bei Ihnen zu tief zu sitzen, um sie ersatzlos aufgeben zu können. Sie argumentieren jetzt mit den in Amateurteleskopen neuerdings immer häufiger eingesetzten Zenitspiegeln mit dielektrischen Vielfachschichten (um 50 Schichten!). Da ist zunächst mal von 1/20 Lambda die Rede, was meines Wissens nur ein einziger Hersteller behauptet (und ich für nicht seriös halte). Alle anderen liegen nur bei 1/10 Lambda, zumindest auf dem Papier (in praxi zu einem großen Teil wohl eher bei 1/8 Lambda). Bedenken Sie bitte, daß selbst bei einem Substrat mit 1/100 Lambda durch die nacheinander aufgebrachten und nie exakt planparallelen dielektrischen Schichten kleine Oberflächenwelligkeiten hinzukommen, und bei ca. 50 Schichten heben sich diese Welligkeiten keineswegs auf, sondern addieren sich (zwar nicht linear, aber trotzdem wird es immer mehr). Solche Vielfachschichten sind normalen Aluminium- oder Silberspiegeln mit MC-Vergütung aus nur ca. 3 bis 5 Schichten plus Quarzschutzschicht zwar im Reflexonsgrad haushoch überlegen, nicht aber in der Wellenfrontdeformation, weshalb ich den von Ihnen genannten Wert von 1/20 Lambda für pures Wunschdenken halte. Das ist aber nur die erste Enttäuschung, die ich Ihnen bereiten muß.
Wissen Sie, was diese Spiegel kosten? Rechnen Sie mal ganz, ganz billig nur mit 150 Euro pro Spiegel (ohne Gehäuse). Nun schrieb ich ja, was Sie wohl übersehen oder verdrängt haben, daß man pro Rohr mindestens 4 solcher Spiegel benötigt, sowohl bei einem Aufbau nach Porro-Prismen-Art als auch bei einem nach Art des Abbe-König-Dachkantprismas. Sie meinen mit einem Fernglas doch sicher ein binokulares und nicht ein monokulares. Also haben Sie zwei Rohre und somit mindestens 8 Spiegel. Wenn jeder 150 Euro kostet, dann kosten allein diese 8 Spiegel nach Adam Riese 1200 Euro. 8 Spiegel sind aber noch kein Fernglas, sondern Sie brauchen auch noch Objektive, Okulare, ein Gehäuse mit Knickbrücke, die Fokussiermechanik und die Dioptrienkorrektur, um nur die Hauptbestandteile zu nennen. Was soll das Fernglas dann insgesamt koten? Nur wenn Sie hypothetisch für die anderen benötigten Komponenten einen negativen Preis von -800 Euro ansetzen, kommen Sie auf Ihren Wunschpreis von 400 Euro. Oder habe ich falsch gerechnet?
Vergessen Sie bitte nicht, daß der Justieraufwand bei Spiegeln erheblich höher ist und die erforderliche Langzeitstabilität extreme Anforderungen stellt. Denn bei einem Prisma bleiben die Winkel, welche die spiegelnden Flächen miteinander bilden, auf immer und ewig gleich. Sind sie präzise gefertigt, dann bleiben sie präzise, bis das Fernglas verschrottet wird. Nicht so bei Spiegeln. Die müssen in irgendeine Halterung so eingebaut werden, daß die Winkel zueinander genau stimmen, also müssen sie justierbar eingebaut werden, andererseits muß nach dem Justieren alles in diesem Zustand auf viele Jahre stabil bleiben, auch wenn das Fernglas mal gegen einen Baumstamm stößt, vom Tisch fällt oder im Kofferraum Vibrationen ausgesetzt ist. Sie meinen doch nicht im Ernst, daß dies zum Nulltarif zu machen ist?
Lesen Sie doch bitte nächstens die Argumente, die Ihnen entgegengehalten werden, ein bißchen gründlicher und denken Sie auch ein bißchen darüber nach. Das hilft, vorher unbekannte Zusammenhänge zu verstehen, und es vermeidet, sich durch Festhalten an Unhaltbarem als Unbelehrbarer zu outen.
Walter E. Schön
PS.:
Nach dem Einstellen dieses Beitrag sah ich, daß Herr Fritzen mir mit seinem Beitrag um ein paar Minuten zuvorgekommen ist. Aber da er im wesentlichen genauso argumentiert wie ich, können wir Sie nun vielleicht gemeinsam davon überzeugen, daß Ihr durchaus legitimer Wunsch auf nicht realisierbaren Annahmen beruht.
Gut, daß Herr Fritzen auch an die Winkelabhängigheit des Reflexionsgrads gedacht hat, die bei dem für hochgeöffnete Systeme (ca. 1/5 bis über 1/4) wirklich sehr großen Winkelbereich, in dem die Lichtstrahlen auf die spiegelnden Flächen treffen, fatale Folgen hat. Ich besaß mal einen Zenitspiegel mit dielektrischer Beschichtung von Lumicon, der einen Reflexionsgrad von mehr als 99% haben sollte. Aber das galt tatsächlich nur bei exakt 45° Einfallswinkel (also für achsenparallel einfallende Strahlen). Man konnte schon mit bloßem Auge sehen, daß bei verschieden schrägem Einblick deutlich gelbe Querstreifen auf dem Spiegel zu sehen waren. Ich habe diesen Spiegel daher schnellstens wieder verkauft.
Bei einem langbrennweitigen Fraunhofer-Teleskop mit f/12 oder weniger ist das kein Problem, weil sowohl der Strahlenkegel zu jedem Bildpunkt sehr spitz als auch der Bildwinkel (tatsächliche Sehwinkel) sehr klein ist. Beim Fernglas ist der Strahlenkegel aber etwa um den Faktor 3 stumpfer und der tatsächliche Sehwinkel (selbst beim Vergleich mit der niedrigsten Vergrößerung des Teleskops) sogar um einen Faktor von etwa 6 bis 10 größer. Sie haben also vom kleinsten bis zum größten an den Spiegelflächen auftretenden Einfallswinkel beim Fernglas einen Bereich, der gut um eine Zehnerpotenz größer ist als beim Teleskop.