Hallo Herr van den Berg, ich hatte heute mehr Beobachtungsglück als Sie. Während der etwa dreieinhalb Stunden Ansitz war einiges los auf der ausgedehnten Waldwiese. Kurz vor 19:00 Uhr kam schon ein Bache mit ihrem Frischling. Ich glaube, ich habe sie wiedererkannt. Vor zwei Monaten waren es noch zwei kleine. Die beiden durchforsteten dann in aller Seelenruhe die saftige Lichtung nach Nahrung. Im Anschluß daran traten in Abständen von etwa einer viertel Stunde vier Rehen auf die Wiese. Drei Ricken und ein Bock. Als sie dann nach einiger Zeit des ruhigen Äsens und Spielens(!) plötzlich sehr aufmerksam wurden und konzentriert in eine bestimmte Richtung äugten, wendete auch ich mein Glas dorthin. Von der gegenüberliegenden Seite trabten mit langestrecktem Hals und erhobenem Haupt ein Rothirschkuh und ihr Kalb genau auf die Rehe zu, die kurz vor dem Eintreffen den Rückzug in den Wald antraten. Das Kalb war sehr verspielt und tollte regelrecht herum, was zwei aufgeschreckte Feldhasen durchs Bild huschen ließ. Nun fing ein Käuzchen an zu schreien und der Specht hinter mir hörte kurz darauf auf zu hämmern. Die vier Rehe traten nun auf der Höhe der inzwischen ein gutes Stück weitergezogenen Wildschweine wieder auf die Wiese. Es wurde immer dunkler, da boten plötzlich eine Dammhirschkuh und ihr Kalb, das ebenfalls immer wieder ziemlich ausgelassen herumsprang, mit ihren weißen Zeichnungen ein kontraststarkes, dankbares Ziel für das Victory 8x56 FL und ein weiteres Glas, welches ich für einen Formatvergleich dabei hatte. Aber dazu später mehr, vorher muß ich noch mit dem Zeiss Service Rücksprache halten. In die Beoabachtung der Dammhirsche vertieft, ließ ein deutliches Geräusch aus der Gegenrichtung und in unmittelbarer Nähe meinen Blick erneut herumschwenken. Keine achtzig Meter von meinem Standort entfernt äste ein Rothirsch. Das Geweih war nicht groß. Für ein sicheres Auszählen war es bereits zu dunkel, für beide Gläser. Allerdings ließen sich noch ganz gut die Konturen seines Körpers erkennen. Er war noch jung. Unglaublich wie laut in der tiefen Dämmerung die Geräusche eines äsenden Hirsches sind, wenn er büschelweise frisches Gras abbeißt.
Ja, die Leberwurstbrote, der Apfel und fast die ganze Kanne Tee waren schon lange vertilgt. Das Wild war kaum noch in den Gläsern zu erkennen, da bot sich der Sternenhimmel an, der gerade so richtig dunkel geworden war. Jupiter und seine Monde waren natürlich sehr schön und noch relativ tief über dem Horizont zu beobachten, bevor ich gegen 22:15 Uhr meine Ruckzack wieder packte und mich mit Taschenlampenlicht, der Mond war noch nicht aufgegangen, auf den Rückweg zum Auto machte. Nach etwa 15 Minuten holte ich doch noch einmal die Gläser aus dem Rücksack, um den Sternenhimmel erneut zu beobachten. Als ich die Taschenlampe ausgemacht hatte, bot sich mir ein atemberaubendes Bild. Nicht vom Sternenhimmel. Links und rechts des Waldweges auf dem ich durch die dunkle Nacht marschierte, leuchteten hunderte von Glühwürmchen. Diese wundersamen Leuchtkäfer, und noch dazu so viele, hatte ich schon sehr lange nicht mehr gesehen. Ganz gebannt von diesem Eindruck blieb ich einige Zeit stehen, bis ganz unverhofft ein Nachtvogel direkt über mir hektisch flügelschlagend davonflog. Mein Herz schlug daraufhin auch ganz laut. Also ab zum Auto und gen Heimat. Aber an dem großen, abgeernteten Feld, auf dem ich auf dem Hinweg hunderte Kraniche Nahrung suchen gesehen hatte, mußte ich doch nocheinmal anhalten. Der freie Blick auf den Sternenhimmel war zu verlockend. Die Milchstrasse war atemberaubend. Schöner dunkler Landhimmel! Ein Glas war das bessere. Beim Rückweg zum Wagen sah ich dann den Halbmond über der Waldkante aufgehen. Rotgolden, starke Kontraste, gerade am Terminator hervorragende Plastizität der Abbildung. Das war ein schöner Abschluß eines Beobachtungsabends, für den es sich gelohnt hat, das Sofa zu verschmähen und eine längere Strecke aus der Stadt herauszufahren.
Gute Nacht wünscht aus dem Hauptstadtstudio,
Jan Münzer