Sehen Sie sich doch mal den optischen Aufbau von Objektiven mit annähernd perfekter Bildfeldebnung an, egal ob Fotoobjektive oder Mikroskopobjektive. Da werden Sie in der Regel mindestens 6 bis 8 Linsen sehen. Solche Objektive würden z.B. ein 10x42 mindestens 1,5 kg schwer machen, vom Preis mal ganz abgesehen.
6 Flächen sind nicht viel, um rund ein Dutzend verschiedene Aberrationen zu beheben, und das nicht nur auf der Achse oder im engen paraxialen Bereich, sondern weit darüber hinaus bis möglichst nahe an den Sehfeldrand. Das ist immer eine „mehrdimensionale Gratwanderung" für den Optikkonstrukteur. Reduziert er einen Fehler, laufen ihn zwei, drei andere aus dem Ruder. Am Ende bleibt immer nur ein Kompromiß.
Wenn Sie sich mal z.B. ein 180-mm-Kleinbildobjektiv (mit ähnlicher Brennweite wie die Objektive eines Fernglases) ansehen, stellen Sie fest, daß sich die Hinterlinse meistens nur etwa 5 bis 7 cm vor der Film- bzw. Sensorebene (nur 1 bis 3 cm vor der Fassungshinterkante) befindet. So ein Objektiv wäre für Ferngläser nicht verwendbar, weil dann der Freiraum für das Umkehrprismensystem nicht groß genug ist.
Die Bildfeldebnung nahe der Zwischenbildebene ist dann immer noch die einfachere und wegen der dort viel geringeren Linsendurchmesser auch (gewichtsmäßig) leichtere Lösung.
Man hat bei Ferngläsern, die über Jahrzehnte in erster Linie militärische Geräte für relativ junge Soldaten mit gutem Akkommodationsvermögen waren, traditionell der Bildfeldebnung einen Platz weit hinten in der Prioritätenliste zugewiesen, weil ja das Auge beim Blick an den Sehfeldrand bei Bedarf akkommodieren kann. Heutzutage aber werden viele zivil genutzte Ferngläser und darunter vor allem die teuersten überwiegend von älteren Menschen ab etwa 45 Jahren benutzt, und da diese bestenfalls noch etwa 6 dpt (statt 12 dpt bei 20jährigen) oder ab 60 nur noch 2 bis maximal 3 dpt akkommodieren können, müßten die Oktikkonstrukteure der betreffenden Fernglashersteller eigentlich ihre Prioritätenliste korrigieren, also der Bildfeldebnung einen höheren Rang einräumen. Es scheint, als würden das aber die Produktmanager noch immer nicht wahrhaben wollen. Bei Swarovski scheint das Umdenken bereits stattgefunden zu haben, wenn die neuen EL-Modelle das halten werden, was Swarovski in der ersten Ankündigung versprochen hat; mal sehen, wann Leica und Zeiss so weit sind.
Walter E. Schön