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5. Ferngläser die gemäß der Winkelbedingung vergrößern, zeigen beim Schwenken während des Beobachtens nur solche Winkel unverändert, die in Ebenen durch die optische Achse liegen, also z.B. den Winkel zwischen solchen Doppelsternen, deren geradlinig verlängerte (bzw. einen Großkreis bildende) Verbindungslinie durch die Bildmitte (also durch die optische Achse) verläuft. „Schräg“ dazu verlaufende Winkel werden beim Durchlaufen des Bildfeldes während des Schwenkens NICHT beibehalten, sondern verändern ihre Größe. Insofern irren Sie ebenso wie Holger Merlitz, wenn Sie behaupten, daß z.B. ein Sternhaufen winkeltreu abgebildet würde .....
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Hallo Walter,
da Du Deine Anmerkung aus Zeitgruenden nicht genauer erlaeutert hast, kann ich nur spekulieren, worauf Du hier anspielst. Geht es etwa um die deklinationsabhaengige Driftgeschwindigkeit? Falls ja, dann ist der Effekt vernachlaessigbar, wie ich jetzt zeigen werde:
Zunaechst der Hintergrund: Nehmen wir an, wir liegen genau auf dem Aequator und schauen durch unser Fernglas senkrecht nach oben in den Zenit. Ich hatte behauptet, dass dach der Winkelbedingung alle Sterne mit derselben Geschwindigkeit durch das Sehfeld ziehen und es daher zu keinen Verzerrungen der scheinbaren Winkelabstaende kommt. Das stimmt nicht ganz: Haetten wir ein Superweitwinkel Fernglas mit 180 Grad realem Sehfeld, dann koennten wir ganz oben am Sehfeldrand den Polarstern erkennen, und ganz unten noch den Himmels-Suedpol. Beide waeren stationaer, daher kann die Annahme der konstanten Driftgeschwindigkeit nicht korrekt sein. In Wirklichkeit nimmt diese mit dem Cosinus des Breitengrades ab, d.h. etwa in B = 10 Grad noerdlicher und suedlicher Entfernung vom Himmelsaequator bewegt sich ein Stern zwar, wie alle anderen Sterne auch, mit identischer Winkelgeschwindigkeit, durch die hoehere Breite aber mit einer reduzierten Bahngeschwindigkeit, und der entsprechende Faktor waere cos(B).
Der hier beschriebene Spezialfall stellt keine Einschraenkung dar, denn wir koennen uns jede Schwenkbewegung als einen kleinen Ausschnitt einer Geodaete vorstellen, unseren "Aequator" also stets durch die Mitte des Sehfeldes und in Schwenkrichtung legen.
Nun haben wir es ja meist mit Fernglaesern moderater Sehfelder zu tun. Ein 8x30 Weitwinkel mit 8 Grad Sehfeld waere ein geeignetes Beispiel. Wie oben angenommen, sei das Fernglas fest auf den Himmelsaequator ausgerichtet und wir beobachten Sterne, die durch das Sehfeld driften. Ein Stern, der nun in 3 Grad Noerdlicher Breite durch den oberen Bereich unseres Sehfeldes driftet, waere um den Faktor cos(3 Grad) = 0.9986 langsamer als ein Stern direkt auf dem Aequator. Dies fuehrt zu einer leichten Drehung der Verbindungslinie zwischen beiden Sternen, aber es ist klar, dass dieser Effekt extrem gering waere.
Ich habe an anderer Stelle (www.holgermerlitz.de/globus.pdf) mal abgeschaetzt, wie entsprechende Geschwindigkeitsaenderungen im Falle der Tangentenbedingung ausfallen (Gleichungen 5 und 7). Hier taucht ein Korrekturfaktor der Groesse 1/(cos^2(B) + m^2 * sin^2(B)) auf, wobei m die Vergroesserung darstellt. Bei B = 3 Grad und m = 8 ergibt dieser Korrekturfaktor einen Wert von 0.85, und das ist ausreichend, um den Globuseffekt zu erzeugen.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass wir beim gleichmaessigen Schwenken eines typischen Fernglases durch ein Sternfeld mit Differenzen der Driftgeschwindigkeit im Bereich von 15% rechnen muessen, wenn unser Fernglas nach der Tangentenbedingung korrigiert ist. Im Falle der Winkelbedingung schrumpfen diese Effekte auf Werte weit unter einem Prozent (0.14% in unserem Beispiel, also 100-fach geringer als bei der Tangentenbedingung) und duerften unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen.
Ich hoffe, ich habe jetzt nicht noch andere, wichtigere Ursachen von Verzeichnungen uebersehen. Falls ja, freue ich mich auf weitere Diskussionen.
Viele Gruesse,
Holger Merlitz