Ich verreise morgen früh für ein paar Tage und habe heute noch einige Kleinigkeiten zu erledigen und Koffer zu packen. Ich werde nach meiner Rückkehr antworten.
Vorab nur soviel: Es stimmt nicht, daß bei der Fotografie „eine sphärische Abbildung auf eine plane Ebene projiziert wird“. Objektive lassen sich mit und ohne Bildfeldwölbung konstruieren, und wenn die Bildfeldwölbung (die in relativ schwacher Form z.B. bei einer einfachen Sammellinse auftritt) beseitigt ist, die das bei Fotoobjektiven die Regel ist (weil der Film oder Sensor eben ist), dann liegt das Bild eines unendlich fernen BELIEBIGEN Objektes oder eines endlich fernen EBENEN Objektes in einer Ebene. Nach korrekter Fokussierung ist diese Bildebene mit der Film- bzw. Sensorebene identisch.
Das Problem beim normalen Fotografieren ist eher, daß man fast immer dreidimensionale Objekte aufnimmt, deren scharfes Bild dann natürlich auch dreidimensional ist, so daß die Film- oder Sensorebene nur diejenigen Teile wirklich scharf aufnimmt, die in dieser Ebene liegen, während diejenigen Teile des dreidimensionalen Bildes, die vor oder hinter der Film- bzw. Sensorebene liegen, mehr oder weniger unscharf abgebildet werden.
Das hat aber alles absolut nichts mit Verzeichnung zu tun. Die ist auch für räumliche Objekte in endlicher Entfernung und ebener Bildauffangfläche eindeutig definiert, nämlich so, wie ich schon weiter ober geschrieben hatte: „Ein Objektiv bildet dann (annähernd) verzeichnungsfrei ab, wenn das Bild eines ebenen oder räumlichen Gegenstandes sich so im Raum anordnen läßt, daß die geradlinien Verbindungen aller Bildpunkte mit den jeweils zugehörigen Objektpunkten einander (annähernd) in EINEM Punkt schneiden, das Bild also den Gesetzen der Zentralperspektive genügt“.
Das bedeutet (was für Sie vielleicht kurios erscheint), daß man auch eine Kugeloberfläche, z.B. die eines Globus, unverzeichnet fotografieren kann. Unverzeichnet heißt dann natürlich keinesfalls, daß die Strukturen auf der Kugelfläche geometrisch ähnlich (also bis auf die Größe identisch oder formgleich) dargestellt werden, sondern nur, daß der Globus bei Betrachtung der Bildes aus einer bestimmten Entfernung lotrecht zu seiner Oberfläche für den Betrachter genauso aussieht wie der vom Ort des Kameraobjektivs mit bloßem Auge betrachtete Globus.
Mehr dazu, wenn nötig, nächste Woche.
Walter E. Schön