Das Herumzigeunern hat auch seine Schattenseiten, denken Sie nur an die Schulsituation und die Einschränkungen, die der Ehepartner aushalten muß. Ich werde auch nur für ein paar Monate hier in Indien bleiben, wir sind mit dem Aufbau der Produktion in Verzug, spätestens Weihnachten sollte es erledigt sein.
Zur Einführung neuer Materialien und Prozesse könnte ich Ihnen ein dickes Buch schreiben, in dem ausschließlich Misserfolge, Irrtümer und ähnliche Dinge vorkommen, freundlicherweise fast immer mit Zeitverzögerung und daher in der Nullserie nur schwer zu endecken.
So gesehen kann ich Ihrer Beschreibung zustimmen, vielleicht mit der Einschränkung, dass industrielle Prozesse sich noch einmal von Laborprozessen unterscheiden. Hier hat die Bereitschaft der Amerikaner, sich wegen jeder Kleinigkeit mit Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe zu melden, zu einem Umdenken geführt, dass über die simple Botschaft, die Katze nicht in der Mikrowelle zu trocken, weit hinausgeht.
Wenn wir ein Federelement, dass früher aus Phosphorbronze gefertigt wurde und regelmäßig durch Ermüdungsbrüche ausfiel jetzt durch Fasermaterial ersetzen, dann erhöhen wir die Testzyklen um einen Faktor 5, die Last um den Faktor 2.
Das Material muß durch eine ganze Batterie relevanter und irrelevanter Chemikalien, also nicht nur so naheliegende Dinge wie Treibstoffe und Schmiermittel, sondern auch durch übles Zeugs, dass auf einer Strasse niemals angetroffen würde. Jetzt geht es darum, die erfahrenen Leute zu motivieren, auch diese extrem seltenen Szenarien mit der gleichen Sorgfalt durchzuführen und nicht auf die 20 Jahre Berufserfahrung zu verweisen. Berufserfahrung kann nämlich auch blind machen, wobei wir dann wieder bei den 10000 Jahren Erfahrung mit Bronzetöpfen und Eisenspeeren wären.
Sollten sich noch Leser finden, es geht immer noch um Fernglasgehäuse, die die eine Firma aus Magnesiumlegierung, die andere aus Verbundmaterial produzieren läßt. Ich glaube nämlich nicht, dass Leica und Swarovski in die Feinheiten der Metallurgie einsteigen werden, die haben ebenso Zulieferer, die im Zweifel mehr davon verstehen.
Ihre Vermutung, dass man sich die Gehäuseübergänge zu den Dichtungen genau betrachten sollte, seh ich auch so. Als Produktionsmensch würde ich auch mehr als einen Blick auf die Abläufe werfen. Da ist jede Menge Handarbeit erforderlich.
Ich würde auch nicht von vornherein ausschliessen, dass die angelieferten Gehäuse in Einzelfällen fehlerhaft sind, wie man es ja auch von Metallguß kennt.
Wir hatten vor vielen Jahren einmal in Japan einmal ein Problem mit Gelenkabdichtungen, die statt der geplanten 15 Jahre schon nach 6-8 Jahren porös wurden, mit üblen Folgen für die Lager, die geschützt werden sollten. Später stellte sich heraus, dass die Wandstärke manchmal zu groß! war, es kann zu Schwingungen, später zu kleinen Rissen. Unseren Mitarbeitern kamen die schwereren Abdichtungen mit größerer Materialstärke besonders stabil vor, so kann es gehen.
Gunnar