Falsche Behauptung im Titel
Der Vorwurf eines hinkenden Vergleichs trifft nicht zu, weil ich gar nicht das Ausmaß der kissenförmigen Verzeichnung beim Fernglas mit dem der tonnenförmigen Verzeichnung eines Weitwinkelobjektivs verglichen, sondern nur Grundsätzliches zum Thema Verzeichnung beim Okular und beim Weitwinkelobjektiv dargestellt hatte. Meine Aussage, ein Fernglasokular verhalte sich hinsichtlich der Art der Verzeichnung im Prinzip wie ein umgekehrtes Weitwinkelokular, wobei die Umkehrung der Anordung (bzw. der Lichteinfallsrichtung das Vorzeichen der Verzeichnung ändert, ist richtig, und bei beiden (Okular wie WW-Objektiv) ist es einfacher, die Verzeichnung dem Betrag nach zu verstärken, als sie zu beheben. Hierbei bedeutet „einfacher“ nicht, daß die Eingabe zweier Zahlen (Toleranzgrenzen des Verzeichnungswertes) in das Raytracing-Programm leichter wäre, sondern daß sich das Ziel mit weniger konstruktivem und baulichem Aufwand (z.B. mit weniger Linsen, dünneren Linsen, flacheren Krümmungen, größeren Fertigungstoleranzen usw.) erreichen läßt,
ohne daß sich die übrigen Aberrationen verstärken. Man kann es auch so ausdrücken: „einfacher” heißt, daß man leichter zu einer hohen Abbildungsgüte (hinsichtlich der Gesamtheit aller anderen Aberrationen) kommt, ohne den konstruktiven und baulichen Aufwand erhöhen zu müssen.
Das Fähnchen nach dem Wind gedreht
1.Zitat aus dem Holger-Merlitz-Beitrag vom 5.12.09 um 20:49 Uhr:
„Wenn der optische Designer ..., dann kann er ... mit dem verzeichnungsfreien Okular ein paar Grad beim scheinbaren Sehfeld einsparen, und
das mag durchaus auch die Okularkonstruktion ein wenig vereinfachen.“
2. Zitat aus dem Holger-Merlitz-Beitrag vom 6.12.09 um 20:02 Uhr:
„... das wird alles mit der Okularkonstruktion erledigt. Hier wird der Grad der Verzeichnung einfach als Parameter in den Raytracing Programmen eingegeben, und nach meinen Informationen (die habe ich, weil ich diesen Fragenkomplex mit optischen Konstrukteuren diskutiert habe)
ist es dabei, was den Aufwand anbetrifft, belanglos, ob man lieber etwas mehr oder etwas weniger Verzeichnung wünscht.
Ende beider Zitate, in denen die einander widersprechenden Aussagen (es werde „vereinfacht“ und es sei „belanglos“, ob so oder so) von mir fett hervorgehoben wurden, um darauf hinzuweisen, wie hier Aussagen gedreht werden, um meinen Gegenargumenten auszuweichen. Na, was ist jetzt richtig? Vereinfacht die Reduzierung der Verzeichnung die Konstruktion oder doch nicht?
Behauptung des Eindrucks „konkaver“ Wölbung bei Nagler-Objektiven ist falsch
Zitat:
„Herr Nagler hat diese starke kissenförmige Verzeichnung doch wegen des 'Spacewalk' Effekts verwendet: Ist das Okular nach der Winkelbedingung konstruiert, dann scheint das Sternfeld auf einer konkaven Oberfläche zu liegen, ganz genau so wie der Sternhimmel mit dem blossen Auge etwas gekrümmt erscheint ('Himmelszelt').“
Ende des Zitats.
Nach meiner Einschätzung dürfte Al Nagler einerseits eher eine weniger verzeichnete Abbildung angestrebt haben, weil sich nur bei unverzeichneter Abbildung die Sternformationen im Sehfeld in gleicher Geometrie darstellen wir auf den Sternkarten. Andererseits kam ihm die trotz hohen optischen und baulichen Aufwandes nicht möglich gewordene Vermeidung einer sehr starken kissenförmigen Verzeichnung insofern sehr zu Paß, als sich damit ein viel größerer scheinbarer Sehwinkel ergibt, der sich werblich hervorragend verkaufen läßt. Ich besitze selbst drei Nagler-Okulare (12 mm, 17 mm und 31 mm) und habe soeben beim legendären 31-mm-Nagler nachgemessen: 81,3° ±0,3° scheinbarer Sehwinkel.
Der sog. „Spacewalk“-Effekt ergibt sich ausschließlich durch den riesigen scheinbaren Sehwinkel und keineswegs aus einer vermuteten „konkaven Wölbung“.
Um eine auf einer Ebene liegende Struktur dem Auge wie auf einer konkav oder konvex gewölbten Oberfläche erscheinen zu lassen, bedarf es keineswegs einer kissenförmigen Verzeichnung, sondern umgekehrt einer tonnenförmigen! Also stellt das obige Zitat einen totalen Fehlschluß dar, wie u.a. die zur
Behebung (nicht Verstärkung!) des sog. „Globuseffekts“ benutzte kissenförmige Verzeichnung zeigt:
Man hat beim horizontalen Schwenken eines nicht verzeichnenden Fernglases aufgrund der im Randbereich links und rechts zu geringen horizontalen Verschiebungsgeschwindigkeit den Eindruck, das Motiv rolle auf einer gewölbten Fläche (eines vertikalen Zylinders) ab. Um diese scheinbare Wölbung zu mindern oder verschwinden zu lassen, führt man eine kissenförmige Verzeichnung ein. Sie vergrößert die Abbildungsgröße im Randbereich und damit automatisch auch die horizontale Verschiebegeschwindigkeit beim Schwenken auf das ohne Wölbung erwartete Maß. Wäre die Aussage des obigen Zitats richtig, müßte sich doch der Eindruck einer Wölbung bei kissenförmiger Verzeichnung noch verstärken. Aber das Gegenteil ist der Fall: Man versucht, den Eindruck der Wölbung dadurch zu reduzieren.
Was die Orientierung der Wölbung betrifft, also ob konvex oder konkav, so ergibt sich das beim Blick ins Fernglas
nicht aus der Verzeichnungsgeometrie, sondern es wird vom Gehirn aufgrund von Annahmen auf Basis von Erfahrung „hinzugedichtet“. In der Praxis erkennt der Mensch beim Anblick einer als gewölbt erkennbaren Fläche fast immer nur am Schattenfall, ob es sich um eine konkave oder konvexe Fläche handelt, sofern ihm der Gegenstand nicht so gut bekannt ist, daß er auch ohne solche Indikatoren „weiß“ (= aus der Erinnerungsschublade des Gehirns holt), ob der Gegenstand konvex oder konkav ist (ich verweise hier auf die als optische Täuschung bekannten Gesichter/Masken, die einmal von links oben und einmal von rechts unter beleuchtet wurden und denn mal konvex und mal konkav wirken). Im Falle des Sternenhimmels fehlen derartige Schatten, und so würde, wenn der Eindruck einer Wölbung entstünde, diese nur wegen der Kenntnis der „Himmelsgewölbes“ als konkav interpretiert. Aber das nur der Vollständigkeit halber, denn es geht hier nicht um konvex oder konkav, sondern um eben oder gewölbt, und da wäre die kissenförmige Verzeichnung der Nagler-Okulare zur Herstellung eines Wölbungs-Eindrucks nicht nützlich, sondern kontraproduktiv.
Schon wieder oder noch immer die falsche Erklärung des „Globuseffekt“
Zitat:
„Schliesslich verstehe ich nicht, wie Du in diesem Zusammenhang auf die Idee kommst, der Globuseffekt sei ein 'Zylindereffekt'. Es gibt bei der Himmelsbeobachtung keine symmetriebrechenden Elemente.“
Ende des Zitats.
Ich habe es schon x-mal geschrieben und wollte es eigentlich nicht mehr für diejenigen wiederholen, die das nicht begreifen (wollen?), daß die angebliche Erklärung des sog. „Globuseffekts“ auf der Internetseite
www.holgermerlitz.de/globe/verzeichnung.html
völlig falsch ist und an der wirklichen Ursache vorbei gehen. Sie berücksichtigt nämlich überhaupt nicht den dynamischen Charakter des „Globuseffekts“, auch wenn die Animationen schön anzuschauen sind. Die wirkliche Ursache ist, wie oben schon geschrieben, die an den Enden des in Schwenkrichtung orientierten Durchmessers den Erwartungen des Beobachters nicht entsprechenden, sondern zu geringen Verschiebegeschwindigkeiten. Genau das ist auch der Grund dafür, daß es sich um einen Zylinder- und nicht einen Kugel- oder Globuseffekt handelt: Bei z.B. horizontaler Schwenkung ist die Verschiebegeschwindigkeit nur links und rechts und nicht oben und unten zu gering.
Was die „symmetriebrechenden Eigenschaften“ betrifft, so sind solche gar nicht nötig, wenn man den Globuseffekt richtig versteht. Denn die Schwenkrichtung gibt eine Verteilung der Verschiebegeschwindigkeiten im gesamten Bildfeld vor, die
nicht zentralsymmetrisch (d.h. symmetrisch bezüglich eines Punktes),
sondern lateralsymmetrisch (d.h. symmetrisch bezüglich einer Geraden) ist. Die versuchte, aber falsche Erklärung auf der oben per Link angezeigten Internetseite ignoriert diese Lateralsymmetrie vollständig und basiert auf nicht vorhandener Zentralsymmetrie.
Wegen dieser total falschen Beschreibung des „Globuseffekts“ bitte ich, in dem am Ende stehenden Verweis auf Mitwirkung weiterer Personen am Zustandekommen dieser Internetseite meinen Namen zu löschen. Ich will nicht öffentlich als jemand bloßgestellt werden, der an dieser Pseudo-Erklärung mitgewirkt habe.
Der auch an mich dort ausgesprochene Dank ist fehl am Platz, denn ich hatte in allen Diskussionen zu diesem Thema immer erklärt, daß die dort veröffentliche Beschreibung falsch ist. Dank wäre angemessen, wenn meine Einsprüche denen diese falsche Beschreibung etwas gefruchtet hätten. Leider haben sie das nicht getan, was aber nicht an mir liegt.
Walter E. Schön