Es tut mir sehr leid, dass ich dieses unangenehme Thema noch einmal aufgreifen muss, aber es ist noch nicht alles gesagt, was dazu gesagt werden sollte.
Heute morgen hatte ich eine Email in meiner Mailbox. Der junge Mann schrieb mir etwas von der Art: "Oh wow, Sie sind Professor! Ich dachte immer, Herr Schön sei der Professor, und Sie - naja - Student oder so.."
Als ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich habe den Fehler gemacht, Herrn Schön gewähren zu lassen, sich austoben zu lassen. Er ist doch unser alter Kumpel, immer etwas laut und ungestüm, wir kennen ihn ja.
Was ich übersehen habe: Nicht jeder, der hier hereinschaut, kennt unser soziales Netzwerk in seinen Details. Hier könnten junge Studenten, oder andere, unbeteiligte Personen vorbeischauen, und einen gefährlich falschen Eindruck dabei mitnehmen:
Walter E. Schön redet im Brustton der Überzeugung von wissenschaftlich korrekter Argumentation. Man stelle sich aber mal einen wissenschaftlichen Kongress vor, und der Redner hält seine Rede, die anwesenden Leute hören zu, und am Ende verkündet der Redner:
"So, wer es jetzt immer noch nicht kapiert hat, daß das pseudiwissenschaftliche „Paper“ von ... nicht ins Intenet, sondern in den Papierkorb gehört und meine Erklärung die einzig richtige ist, dem kann ich nicht mehr helfen."
Was würde dann passieren? Es würde natürlich Gelächter ausbrechen, denn wer hätte dieses Ausmass an Selbstironie erwarten können?
Ich fürchte jedoch: Walter E. Schön meint das wirklich ernst.
Ich habe schon ein paar Jahre in der Wissenschaft hinter mir, und man wird mir glauben, dass dort bei jeder Gelegenheit gezankt und gestritten wird. Auf diese Art und Weise kommt Fortschritt zustande, und das ist daher auch begrüssenswert. Aber: Wer die Arbeit eines Kollegen kritisiert, oder sogar als falsch beziffert, muss präpariert sein. Er sollte in der Lage sein, Studien vorzulegen, deren Resultate im Widerspruch zu der kritisierten Arbeit stehen. Man hängt sich nicht zu weit aus dem Fenster. Das hat einen ganz einfachen Grund: Jeder Wissenschaftler hat irgendwann mal das Erlebnis gehabt, dass er in seiner Einschätzung total falsch lag. Das ist auch unvermeidbar: Wer Neues entdecken will, muss neugierig sein, sich hinauswagen, und fällt hin und wieder auf die Schnauze. So etwas macht vorsichtig und lehrt Respekt gegenüber seinen Kollegen. Dass jemand die Arbeit eines anderen als "pseudowissenschaftlich" und reif für den "Papierkorb" bezeichnet hat, habe ich daher bis jetzt (zum Glück) noch nicht erleben müssen. Interessant ist, dass Herr Schön auch keinerlei stichhaltige Studien vorzeigen kann. Das begründet er auch:
"Ich würde ja gern auf Literatur zu diesem Thema verweisen, aber ich kenne leider keine, die richtig wäre. In allen meinen Fachbüchern, die sich irgendwie mit Optik, mit Physiologie oder mit Wahrnehmungspsychologie befassen, kommt der „Globuseffekt“ nicht vor. Deshalb habe ich – wie das so meine Art ist – einfach selbst intensiv darüber nachgedacht und so meine eigene Erklärung des „Globuseffekt“ gefunden .."
Herr Schön hat sich so seine eigenen Gedanken gemacht, und ist zu dem Resultat gekommen, dass die Arbeit eines Wissenschaftlers, die in einem angesehenen Journal inklusive Begutachtung veröffentlicht ist, und die auf den dort zitierten Arbeiten anderer Wissenschaftler aufbaut, ein pseudowissenschaftliches Geschwätz sei.
Ich stelle fest, dass es sich hier nicht um eine wissenschaftlich korrekte Argumentation handelt, und ich hoffe, dass niemand, der das liest, eventuell glauben könnte, dass Wissenschaft auf diese Weise zustande kommt.
Herr Schauerte hat Recht: Es handelt sich hier schlicht um eine Beleidigung. Nicht so sehr um eine Beleidigung meiner Person, sondern um eine Beleidigung der Wissenschaft, und der Wissenschaftlichkeit, die Herr Schön sich selbst anmasst.
Diesen Beitrag bin ich meinen Kollegen, und auch meinen Studenten, wohl schuldig.
Viele Grüsse,
Holger Merlitz