... lieber Herr Champollion, und auf meinen Computersimulationen sind, wenn Sie genau hinschauen, auch horizontale Schwenks gezeigt. Die erzeugen, im Falle der Tangensbedingung, aber trotzdem den Eindruck eines Globus. Warum? Danke der Nachfrage! In zwei Sätzen zusammengefasst ist das so:
Ein nach der Tangensbedingung korrigiertes Fernglas ist rein formal zwar verzeichnungsfrei, aber es kommt dann noch die Abbildung unseres visuellen Systems hinzu. Dabei wird eine zusätzliche tonnenförmige Verzeichnung eingeführt, und die ist (zumindest in erster Näherung) zentralsymmetrisch, weshalb der Globuseffekt wie ein Globus aussieht, nicht wie ein Zylinder.
OK, habe ich mir das ausgedacht? Mitnichten! Die tonnenförmige Verzeichnung des visuellen Raumes wurde bereits 1867 von Helmholtz beschrieben, und deren genaue Eigenschaften ist heute Gegenstand zahlloser wissenschaftlicher Untersuchungen. Ich selbst hatte vor wenigen Monaten ein kleines Experiment dazu auf diesem Forum durchgeführt, in dem Helmholtz's historische Schachbretter noch einmal begutachtet werden konnten. Ein solches Schachbrett hat eine kissenförmige Verzeichnung, sieht beim Betrachten aus der Nähe aber unverzeichnet aus - infolge der tonnenförmigen Verzeichnung des visuellen Raumes. Mein Experiment war primitiv, es gab Forschungsgruppen, die das genauer und besser gemacht haben, aber es geht um das Prinzip: Die von mir erwähnte Verzeichnung ist empirisch nachweisbar und muss bei der Betrachtung der optischen Eigenschaften von Instrumenten, die in Verbindung mit dem Auge verwendet werden, berücksichtigt werden.
Ich habe ferner beweisen können, dass die Verzeichnung auch als Krümmung angesehen werden kann. Das gilt sowohl für die Verzeichnung des Fernglases, als auch für die des visuellen Raumes. Während man im statischen Bild nur die Verzeichnung wahrnimmt, ist es beim schwenkenden Fernglas die Krümmung, die uns ins Auge fällt. Das kann man auch anhand der Computersimulationen auf meiner Webseite sehr schön nachvollziehen, indem man die Filmchen einfach mal anhält: Der Eindruch der Krümmung verschwindet schlagartig, und man sieht nur noch ein mehr oder weniger verzeichnetes Bild. In der Wahrnehmungspsychologie nennt man dieses Phänomen im englischen 'optical flow', der entsprechende deutsche Begriff ist mir nicht bekannt.
Jedes Modell muss der Wirklichkeit standhalten. Also: Gehen Sie raus mit Ihrem neuen Swarovski und entscheiden Sie selbst, ob Sie einen Globuseffekt sehen oder einen Zylindereffekt. Ich empfehle dazu eine sternklare Nacht in einer dunklen Gegend, und einen langsamen Schwenk entlang der Milchstrasse. Dann können Sie von Ihrem Glauben abkommen und in die Wirklichkeit eintreten :-)
Viele Grüsse,
Holger Merlitz