Sie haben meine Ausführungen bis auf Ihren Punkt 2 richtig verstanden. Im Falle der Vergrößerung 1x kommt es zu keinem Zylindereffekt. Sie schrieben:
„(2) Sie nehmen an, daß auch bei Vergrößerung M=1 eine Verschiebegeschwindigkeitsverteilung vorliegt, die einen Globuseffekt verursacht. Dieser wird jedoch unter normalen Bedingungen durch das visuelle System nicht wahrgenommen.“
Da haben Sie mich mißverstanden. Richtig ist, daß es auch bei Vergrößerung 1x keine konstante Verschiebegeschwindigkeit gibt, sondern auch dann eine lateralsymmetrtische Änderung von der Mitte zu beiden seitlichen Rändern. Aber nicht diese Verschiebegeschwindigkeitsverteilung verursacht einen Zylindereffekt, sondern erst eine von der bei eben dieser 1fachen Vergrößerung abweichende Verschiebegeschwindigkeitsverteilung. Denn die bei 1facher Vergrößerung vorliegende Verschiebegeschwindigkeit ist genau diejenige, bei welcher während des Schwenkens die Winkelgeschwindigkeiten für alle Bildpunkte über die gesamte Breite gleich sind, und zwar entgegengesetzt gerichtet gleich der Winkelgeschwindigkeit der Schwenkung.
Als ich prüfen wollte, warum Sie das fälschlich angenommen haben, las ich meine Erklärung noch einmal durch und mußte dabei leider einen peinlichen Fehler feststellen, der nichts mit dem obigen Mißverständnis zu tun hat, aber trotzdem korrigiert werden muß. Er ist entstanden, weil ich alles allein aus dem Kopf heraus und ohne Zeichnungen oder ähnliche Hilfen formuliert hatte und im Text zwar „Verschiebegeschwindigkeiten“ schrieb, im Kopf aber an die „Winkelgeschwindigkeiten“ dachte: Während die Winkelgeschwindigkeiten beim Blick durchs geschwenkte Fernglas von der Mitte zum Rand in Schwenkrichtung und entgegen der Schwenkrichtung abnehmen, nehmen jedoch die Verschiebegeschwindigkeiten im ebenen Bildfeld nach beiden Seiten zu.
Falsch ist daher die sich durch die ersten drei Absätze hindurchziehende Aussage, die Verschiebegeschwindigkeiten im ebenen Sehfeld würden von der Mitte zum Rand hin abnehmen und die entsprechende Kurve sähe ähnlich aus wie eine nach unten offne Parabel.
Richtig ist, daß die Verschiebegeschwindigkeit von der vertikalen Mittelachse nach beiden Seiten zum Rand hin
zunehmen und die Kurve ähnlich wie eine nach oben offene Parabel aussieht.
Folglich müssen die ersten drei Absätze von Punkt 3 berichtigt wie folgt lauten:
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3. Wie meine Erklärung lautet, habe ich in kurzen Worten hier schon mehrfach gesagt oder angedeutet, und ich will es jetzt für eine horizontale Schwenkrichtung noch etwas ausführlicher darstellen: Bei solchem Schwenken ist die Geschwindigkeit der Bildpunkte nicht in der gesamten Bildfläche einheitlich, sondern nur längs senkrechten Linien. Je weiter links und rechts vom senkrechten Durchmesser sich ein Bildpunkt beim Schwenken verschiebt, desto schneller verschiebt er sich. Die Geschwindigkeitszunahme zur linken wie (exakt lateralsymmetrisch) zur rechten Seite hin ist nahe der Mitte verschwindend klein, wird aber zum Rand hin immer stärker. Der als Kurve gezeichnete Geschwindigkeitsverlauf (Geschwindigkeit auf der y-Achse und seitlicher Abstand vom senkrechten Durchmesser auf der x-Achse) hat etwa die Form einer sich nach oben öffnenden flachen Parabel oder der Senke einer Sinuskurve im Bereich um das negative Amplitudenmaximum.
Eine solche Geschwindigkeitszunahme läge auch bei einem Fernglas mit der Vergrößerung 1 vor, somit also auch ohne Fernglas, wenn man das Bild in einer zur Blickrichtung rechtwinkligen Ebene innerhalb eines Kreises betrachtet, der der Begrenzung durch den scheinbaren Sehwinkel des Fernglases entspricht. (Man kann sich z.B. denken, das Motiv durch eine ebene Fensterscheibe hindurch zu betrachten und auf der Fensterscheibe die Konturen des Motivs für den Betrachter deckungsgleich mit den realen Konturen nachzuzeichnen.) Es ist sinnvoll, sich bei diesen Überlegungen eine solche Bildebene zu denken, weil wir beim Blick durchs Fernglas die Bildebene betrachten, für die alle folgenden Überlegungen gelten sollen.
Zurück zur obengenannten Geschwindigkeitszunahme bei Vergrößerung um den Faktor 1. Diese findet unser Gehirn, das sich von unserem Babyalter an bei jedem Drehen des Kopfes daran gewöhnt hat, völlig normal, so daß damit keinerlei unnatürliche Objektverformung verbunden wird.
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Ich hoffe, daß Sie jetzt mit dieser Ergänzung und Berichtigung (über die Sie aber noch nicht gestolpert sind, weil Sie die Sache nur im Prinzip und nicht quantitativ geprüft hatten) meine Erklärung noch besser nachvollziehen und ihr dann auch vorbehaltslos zustimmen können.
Ich werde Herrn Jülich oder seinen Forumsadministrator bitten, meinen Beitrag an der angegebenen Stelle durch Hinüberkopieren meiner obigen Berichtigung zu korrigieren.
Was Ihren Wunsch nach mathematischer Beschreibung betrifft, so wiederhole ich, daß ich mir eine solche vollständige und exakte Beschreibung für mein Fernglasbuch aufhebe. Dennoch habe ich vorhin einen Beitrag von Herrn Marcus Vincenti (Pseudonym „bonsaikun“) beantwortet und dabei bereits einige Hinweise auf die Berechnung gegeben, insbesondere schon die von Ihnen erfragte Verschiebegeschwindigkeitsverteilung für natürliche Größe mit umgekehrt proportional zu cos² beta angegeben, wobei beta der Winkel ist, um den der Bildpunkt links oder rechts der vertikalen Mittelachse des Sehfeldes gesehen wird.
Sie finden diesen Beitrag hier
[
www.juelich-bonn.com]
und darin auch noch einige weitere Hinweise auf die mathematischen Zusammenhänge. Ich hoffe, daß Ihnen dies vorläufig genügen wird.
Was die Frage nach Umdeutung des rotierenden Zylinders zu einer rotierenden Kugel betrifft, so sehe ich das sehr einfach:
Der normale Beobachter, der meine hier veröffentlichte Erklärung nicht kennt und beim Betrachten keine präzise Messung der Verschiebegeschwindigkeiten durchführt, nimmt ohne Fernglas beim horizontalen Schwenken einfach für alle Punkte dieselbe horizontale Winkelgeschwindigkeit wahr, und damit ist für ihn die Welt in Ordnung. Bei Vergrößerungen größer als 1x nimmt es am Rand geringere Winkelgeschwindigkeiten wahr und das reicht ihm, um daraus auf eine Rotation einer gewölbten Bildfläche um eine zur Schwenkrichtung rechtwinklige Achse schließen zu können. Weil das Bild rund ist, liegt dann die Annahme einer Kugel nahe. Und wenn einmal jemand diesen Effekt als „Globuseffekt“ bezeichnet hat, wird dieser Name ohne weiteres Hinterfrage von anderen übernommen.
Ich hätte mich, wenn es nur um die Wahrnehmung des Zylindereffekts ginge, allein auf die Änderungen der Winkelgeschwindigkeit (= Abnahme nach beiden Seiten) beschränken können. Aber da ich auch noch begründen wollte, warum man durch Einführung einer bestimmten kissenförmigen Verzeichnung dem Zylindereffekt entgegenwirken und sogar ganz beseitigen kann, mußte ich beschreiben, was im ebene Bildfeld geschieht und dort die Verteilung der Verschiebegeschwindigkeiten untersuchen und beschreiben. Dadurch ist die Sache etwas komplizierter geworden, und wenn man wissen will, welche Idealform die Verzeichnungskurve zur perfekten Beseitigung des Zylindereffekts haben sollte, muß man tatsächlich alles präzise durchrechnen.
Walter E. Schön